Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
unter unseren Schuhen.
    »Es sieht aus wie ein Spukhaus«, sagte Kerstin.
    »Dann solltest du es mal nachts sehen.«
    »Bist du schon mal hier gewesen, Kenny?«
    »Nein, aber man muss es sich vorstellen.«
    »Das möchte ich lieber nicht.« Sie blieb stehen. »Und wenn Janne noch nicht zu Hause ist?«
    »Der Bogenschütze ist da, Erik.«
    Und plötzlich hörten wir den Schotter knirschen. Das waren nicht wir, wir standen still. »Hallo!«
    Es war der Bogenschütze. Ich erkannte ihn sofort. Er war nicht mehr sonnengebräunt und trug jetzt ein Hemd. Er stand an der Giebelseite des Hauses.
    »Was sucht ihr hier?«, rief er.
    Er war nicht bewaffnet und kam auf uns zu. Plötzlich erkannte er uns. »Was macht IHR denn hier?!«
    »Ist Janne noch nicht da?«, fragte Kerstin. »Äh … nein. Wieso?«
    Hinter uns kreischte das Gartentor. Ich drehte mich um und sah Janne das Tor mit einer Hand aufschieben. Mit der anderen hielt er ein Fahrrad.
    »Da kommt er«, sagte der Bogenschütze.
    »Ihr seid also schon da«, sagte Janne.
    »Was hat euch hierhergetrieben?«, fragte der Bogenschütze.
    »Indiansummer«, sagte ich.
    »Was?«
    »Wir sind gekommen, um euch zu fragen, woher das Wort Indiansummer kommt.«
     
    12
     
    »Indiansummer«, sagte Erik, »das ist das, was wir gerade haben.« Er schaute zu dem blauen Himmel hinauf. »Wir sind mitten im Indiansummer.«
    »Aber was bedeutet es?«, fragte ich.
    »Das ist Englisch«, antwortete er, »es kommt aus Amerika. Indian Summer.«
    »Er ist gut in Englisch.« Janne lächelte.
    »Es kommt tatsächlich aus dem Staat New York«, fuhr Erik fort, als hätte er Janne nicht gehört. »Unserem Staat. Dem Staat der Mohikaner.«
    Erik war Mohikaner. Im Sommer hatte ich geglaubt, er und der andere mit den Federn seien Mohawks, und damit hatte ich bewiesen, dass ich gar nicht so viel über Indianer wusste, wie ich mir vorher eingebildet hatte.
    »Dort war es manchmal ungewöhnlich wann im Herbst«, sagte Erik, »wie es jetzt hier ist. Und da in den nördlichen Staaten viele Indianer lebten, nannten die Weißen diese Art warmen Herbst Indiansummer.«
    »Aha«, sagte ich.
    »Ist das schon lange her?«, fragte Kerstin. »Dass sie es Indiansummer genannt haben?«
    »1794«, antwortete Erik.
    Janne hatte ein eigenes Zimmer im ersten Stock mit Ausblick auf den Garten. Ich stand am Fenster und schaute auf all das Grüne, Rote und Gelbe, das wie ein schillerndes Federkleid aussah.
    »Jetzt musst du erzählen, warum ihr eigendich gekommen seid«, hörte ich Jannes Stimme hinter mir.
    Ich drehte mich um.
    »Du scheinst es gut hier zu haben«, sagte ich. »Kann nicht klagen.«
    »Wohl besser, als ein Bauernknecht in Norrland zu sein, oder?«
    »Kein Vergleich.« Er lächelte. Es war das zweite Mal, dass er innerhalb kürzester Zeit lächelte. Im vergangenen Sommer, im Camp, hatte ich ihn überhaupt nicht lächeln sehen. Oder doch, vielleicht einmal, als alles in hellen Flammen stand, aber es konnten auch die Schatten vom Feuer gewesen sein, die über sein Gesicht zuckten.
    »Ihr scheint ja prima allein zurechtzukommen.«
    »Sie stören uns nicht unnötig.«
    »Die?«
    »Eriks Eltern.«
    »Aha.«
    »Sie sind meistens auf Reisen.«
    »Scheint perfekt zu sein.«
    »Tja, manche finden es zu perfekt.«
    »Was meinst du damit?«
    Janne antwortete nicht. Ich verstand trotzdem, was er meinte. Eriks Eltern waren zwar nicht gerade auf der Flucht oder im Irrenhaus oder dabei, auf dem Boden einer Schnapsflasche zu verschwinden, aber es war doch merkwürdig, dass sie so häufig abwesend waren. Schließlich besaßen sie dieses große schöne Haus. Vielleicht vergaßen sie manchmal sogar, dass sie einen Sohn hatten. Vielleicht hallte es zu sehr wider in diesem Haus, zum Beispiel im Winter, wenn der Bogenschütze durch die Flure und die Treppen hinaufstieg. Ich war gerade selbst durch die Flure und die Treppe hinaufgegangen. Die Bude war groß wie meine Schule.
    Erik hatte keine Geschwister, das wusste ich. Aber nun hatte er einen Bruder.
    »Warum seid ihr also gekommen, Kenny?«, fragte Janne wieder.
    Kerstin war nicht im Zimmer. Sie war mit Erik in die Küche gegangen, um ein Glas Wasser zu trinken.
    »Wir wollten uns ein bisschen umgucken«, antwortete ich.
    »Ach, komm!«
    »Meine Mutter ist in der Klapsmühle gelandet.«
    »Hör auf!«
    »Es ist aber wahr.«
    »Was ist passiert?«
    Ich erzählte es ihm.
    »Und da seid ihr einfach abgehauen«, sagte Janne. »Einfach ist das nicht.«
    »Meinst du Kerstin? Dass es

Weitere Kostenlose Bücher