Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drachenmonat

Drachenmonat

Titel: Drachenmonat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
zu der Kommode neben dem Sofa. Darauf stand ein Wecker, der fast Mitternacht zeigte. Durch den Schacht hörte ich nichts mehr, keine Stimmen, kein Schnarchen. Ich traute mich nicht, den Wecker auf sechs zu stellen, sie würden wahrscheinlich das Klingeln hören.
    Kerstin gähnte. Sie hatte schon einige Male gegähnt, aber ich war im Augenblick nicht müde. Ich hatte das Gefühl, als könnte ich die ganze Nacht wach bleiben.
    »Wann wollen wir gehen?«, fragte ich.
    »Um sechs«, sagte Kerstin. »Dann schlafen sie noch.«
    »Und deine Sachen in der Waschmaschine?«
    »Ich hab ihr nicht alles gegeben«, sagte Kerstin. »Und bei Großmutter habe ich Ersatz.«
    Wenn wir bis zu deiner Großmutter kommen, dachte ich. Vielleicht schaffen wir es nicht.
    Plötzlich umarmte Kerstin mich, so fest, dass ich mich nicht rühren konnte. Aber das wollte ich gar nicht. Kerstin rührte sich auch nicht. So saßen wir lange da. Ich hatte das Gefühl, dass wir die geschlagenen zwei Stunden, die ich Wache halten sollte, so dasaßen. Und keiner von uns sagte ein Wort.
    Schließlich löste ich mich ein bisschen und legte einen Arm um ihre Schultern. Sie hatte Muskeln. Ihre Schulter war hart und mager.
    Ich küsste sie auf die Wange.
    Es kitzelte im ganzen Körper. Fast zitterte ich. Ich nahm den Geruch ihres Haares wahr. Es roch gut nach dem Shampoo aus dem Badezimmer.
    Ihre Haare kitzelten mich in der Nase.
    »HATSCHII!«
    Kerstin zuckte zusammen und ließ mich los und legte eine Hand auf ihr Ohr. »Du hast mir genau ins Ohr geniest!«
    »Entschuldige. Das waren deine Haare.«
    »Ich hätte taub werden können.«
    »Ich kann doch nichts dafür.« Sie nahm die Hand vom Ohr.
    »So ist das mit dem Niesen«, sagte ich. »Man kann nichts dagegen machen.«
    »Ist schon vorbei. Ich geh jetzt schlafen.«
    »Kerstin…«
    »Ja?«
    »Ich hab dich gern.«
    »Ich hab dich auch gern, Kenny.«
    »Vielleicht brauchen wir gar nicht… ich meine, vielleicht müssen die uns gar nicht… trennen.« Ich spürte wieder ein Prickeln im Körper, aber es war anders als vorher. »Wenn wir zu Hause wohnen bleiben dürfen also.«
    »Wir können zu Hause wohnen«, sagte Kerstin. »Das habe ich heute Nacht geträumt.«
    »Wirklich?«
    »Ich hab geträumt, dass ich mit meinen Eltern und Kjell am Küchentisch sitze.«
    »Dein Vater auch?«
    »Ja.«
    »Hast du früher schon mal von ihm geträumt?«
    »Nein.«
    »Aber du hast oft an ihn gedacht.«
    »Natürlich, aber es war immer so viel anderes. Mit Mama und dann mit Kjell und so.«
    »Glaubst du, dein Vater kommt wieder nach Hause? Hast du deswegen von ihm geträumt?«
    »Ich weiß es nicht, Kenny. Ich bin keine Traumdeuterin.«
    »Ich kann auch keine Träume deuten.«
    »Aber es war ein guter Traum«, sagte Kerstin.
    »Ja.«
    »Jetzt versuch ich zu schlafen.«
    »Vielleicht träumst du wieder was Gutes.« Kerstin nickte und stand auf. Sie ging zu ihrem Bett und sagte nichts mehr. Eine Minute später hörte ich sie schnarchen, nicht besonders laut. Ich glaube nicht, dass sie normalerweise schnarcht, vielleicht schnarcht man mehr, wenn man sehr müde ist. Ich hatte ihr nichts davon gesagt. Und sie hatte mir auch nicht erzählt, ob ich schnarchte.
    Ich stand auf und nahm mein Katana, das neben dem Sofa lag, und machte ein paar Bewegungen in der Luft. Wenn man sie richtig langsam ausführte, war nichts zu hören. Schnelle Bewegungen mit dem Schwert klangen wie der Nordwind.
    Ich übte eine ganze Weile. Wenn ich mich hinsetzte, würde ich vielleicht doch einschlafen, und wir würden zu spät aufwachen. Vielleicht waren die beiden nett, aber darauf wollte ich mich nicht verlassen. Im Augenblick konnte uns ihre Nettigkeit nicht helfen. Sicher wollten sie unser Bestes, aber ihnen war nicht klar, dass sie falsch handelten, wenn sie uns nicht freiwillig gehen ließen.
    Wieder führte ich eine Halbkreisbewegung mit meinem Katana aus. Ich musste mir verschiedene Sachen ausdenken, damit ich wach blieb. Der japanische Sammelname für Schwerter hieß Ken, und ich versuchte mich an andere japanische Bezeichnungen verschiedener Schwerter zu erinnern, wie Tachi, Ko-Bizen, Kabatsuchi, No tachi, Ka radachi, Shinai, Kyomono, Kunihiro, Kozuka, Kishigatana, Mamorigatana, Mino-Mono, Armi meizukushi, Tsurugi, Daisho, Bokut, Soshumono, Metezashi, Tosu, Tanto, Wakizashi natürlich, Tsubokiri no tsurugi, Aikuchi, Osatune Kaji, Chokuto, Agaritachi, Nodachi, Mikusa no kandakara. Für Schwerter hatten die Japaner genauso viele Namen wie die Eskimos

Weitere Kostenlose Bücher