Drachenmord (Funny-Fantasy-Serie: Gesandter der Drachen) (German Edition)
gesehen wurde?“
„Jeder weiß das“, unterbrach ich Lynfir. „Ich meine, es war unmöglich, ihn auf die Art umzubringen, die ich mir gedacht hatte.“
„Welche war das?“
Ich erklärte ihm die Sache mit der langen, diamantgehärteten Nadel.
„Wieso unmöglich?“, fragte er.
„Weil niemand einen so langen Arm hat. Und die Goldmünzen rutschen unter jedem Schritt. Es dürfte schwierig sein, da hinaufzukommen, wenn man kein Drache ist.“
„Nun, ich jedenfalls bin einer“, sagte Lynfir, fasste mich am Kragen, hob mich auf und setzte mich mehrere Meter weiter oben auf einem der goldenen Hügel ab. Dann schlug er einmal heftig mit den Flügeln, stieß sich mit der Hinterhand ab und saß im nächsten Augenblick neben Nyredds bedrückend gewaltigem Leichnam.
Ich erkletterte eine Anhöhe aus Gold, nur um dann mit einer halben Wagenladung davon in die Tiefe zu schlittern. Ein Münzregen ergoss sich über mich. Lynfir hatte ein Einsehen, machte den Hals lang, hob mich auf und ließ mich vor Nyredd ganz sacht herab.
Kaum sah ich ihn aus der Nähe, hätte ich geschworen, dass er am Leben war. Sein Schuppenkleid schimmerte in jenem Silberton, der ihm den Beinamen ‚der Silberne‘ eingetragen hatte. Und er grinste.
Das brachte mich am meisten aus der Fassung.
Er grinste wie einer, der einen guten Witz gemacht hat und nun wartet, bis die anderen endlich die Pointe begreifen. Wie jemand, der andere auf besonders raffinierte Weise hereingelegt hat.
Ich erwartete wirklich, dass er im nächsten Moment die Augen öffnen würde. Mein Herz schlug unwillkürlich schneller. Mit einer Hand tastete ich nach seinem Mundwinkel. Kein Drache lässt sich dort berühren, ohne sofort zuzuschnappen.
Nyredd regte sich nicht.
Ich schlug ihm mit der geballten Faust auf das geschlossene rechte Auge.
Nichts.
Ich atmete tief durch, bemerkte, dass Lynfir mich belustigt beobachtete und fragte unwirsch: „Wie kriege ich nun sein Maul auf? Ich will mir die Schleimhäute ansehen.“
Lynfir mühte sich vergebens, Nyredds Kiefer anzuheben, indem er über die Schnauze fasste und nach oben zog.
„Hol mir ein paar gute Speere“, sagte ich.
Zu meinem Erstaunen gehorchte er. Er rollte frohgemut zur Seite, rutschte außer Sicht, und ich war mit Nyredd dem Silbernen allein.
Mit beiden Händen versuchte ich, eine Schuppe zu fassen und von der Haut abzuspreizen. Meine Finger fanden keinen Halt und als ich mich endlich mit aller Kraft angeklammert hatte, ließ sich die Schuppe doch nicht anheben. Obwohl ich nun ziemlich sicher davon ausging, dass Nyredd tot war, fühlte ich mich in seiner Gegenwart nicht wohl.
Ich hatte Drachen getötet und in einem See aus warmem Blut gestanden, ja darin gebadet, da es heißt, Drachenblut mache unverwundbar. Ha! Man bekommt einen grässlichen, juckenden Ausschlag. Das ist alles.
Wochenlang hatte ich alle möglichen Salben und Pflästerchen ausprobiert, ehe mich eine alte Kräuterfrau schließlich mit einer Flüssigkeit heilte, von der ich noch heute meine, es muss Katzenpisse gewesen sein. Was auch immer es war: Ich besaß danach wieder eine wunderbar glatte Haut und vermied es zukünftig, mit Drachenblut in Berührung zu kommen.
Ja, ich hatte Drachen getötet. Aber nicht diesen. Und er mochte auch tot noch gefährlich sein.
Vergeblich versuchte ich, an seiner Flanke hinaufzukommen. Sie war so glatt wie ein eisbedeckter Abhang. Dann kam Lynfir, das Maul voller Speere.
„Reichen die?“
Ich nahm den ersten, prüfte den Schaft und schob Nyredds rechtes Augenlid nach oben. Schwer und schlaff drückte es gegen die Kraft meiner Muskeln an. Ich musste schlucken, als ich nur Weißes sah. Erst als ich mich fest eingestemmt hatte und das Lid beinahe offen war, wurde ein Stück der grünen Iris sichtbar.
„Und?“, fragte Lynfir.
„Und was?“, fragte ich gereizt zurück.
„Was weißt du, was du eben noch nicht wusstest?“
Ich seufzte.
„Kein Blutgift. Kein Atemgift. Beide führen zu einer Verfärbung des Weißen im Auge. Er wurde nicht gewürgt. Er starb nicht in einem Zustand der Anstrengung. So! Und nun sehen wir ihm ins Maul.“
Ich konnte mich abmühen, wie ich wollte, ich bekam seine Lefze nicht nach oben. Speere splitterten. Ich keuchte. Die Kiefer blieben geschlossen wie die Tore einer besonders gut versiegelten Schatzkammer.
„Vergessen wir‘s“, sagte ich erschöpft. „Suchen wir den Körper ab!“
„Wonach?“, erkundigte sich Lynfir.
Mir riss der Geduldsfaden.
„Nach
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