Drachenmord (Funny-Fantasy-Serie: Gesandter der Drachen) (German Edition)
irgendwas“, brüllte ich. „Woher soll ich wissen, wonach?“
Lynfir war beleidigt. Das sah ich ihm an. Aber er sagte nichts, sondern wandte sich ab, wobei sich unzählige Münzen in glitzernden Sturzbächen auf die goldenen Hügel unter uns ergossen.
Nun, dann war er eben beleidigt. Was ging es mich an?
Ich spürte eine unerklärliche Wut in mir und hätte am liebsten einen Streit vom Zaun gebrochen. Stattdessen erkletterte ich den Drachenleib. Ich zog mich am Nasenloch hoch, das tunnelartig in ein Inneres führte, das ich nicht zu erforschen wünschte. Ich stemmte mich ein, kam oberhalb der Nase auf und spazierte von dort weiter zu Nyredds Haupt. Nun stand ich, wo mich ein lebender Drache nicht einen Wimpernschlag lang geduldet hätte. Soweit ich blicken konnte, sah ich nur Gold und Geschmeide unter mir – als hätte man mich für eine kurz bemessene Frist zum König über all das gemacht. Die Vorstellung hatte etwas unbestreitbar Reizvolles.
Dann machte Gekeife dem Tagtraum ein Ende.
Das bucklige Männlein war auf irgendeine Weise bis zu Nyredds Schnauze vorgedrungen, schwenkte eng beschriebene Pergamente und forderte mich dazu auf, diese unerhörte Befleckung des erhabenen Leichnams zu unterlassen.
„Ich beflecke ihn nicht“, schrie ich zurück. „Ich untersuche ihn. Und würde man mich nicht ständig stören, könnte ich vielleicht auch irgendetwas finden, das Licht auf diesen Todesfall würfe.“
Erstaunlich bald langte das Männlein bei mir an, musterte mich mit ausdrucksloser Miene und sagte dann: „Ihr seid nicht, was Ihr zu sein vorgebt, Anjûl!“
„Was?“, fragte ich perplex.
Er strich sich das strähnige Haar hinter die Ohren. Fast meinte ich, ihn zwinkern zu sehen.
„Ein Mann, der die, bei vielen längst in Vergessenheit geratene, Möglichkeitsform zu verwenden weiß, der ist kein einfacher Drachentöter.“
Ich biss mir auf die Unterlippe.
Auch das noch!
„Im Umgang mit Drachen lernt man eben einiges.“
Er lächelte schlau.
„Wie es beliebt, wie es beliebt! Und trotzdem muss ich nun darauf bestehen, dass Ihr den erhabenen Toten nicht mit Füßen tretet. Das gehört sich nicht.“
„Hört, guter Mann, wie heißt Ihr eigentlich?“
„Azelôt.“
„Gut. Ich muss nach einer sehr kleinen Wunde Ausschau halten. Wie soll ich das Eurer Meinung nach bewerkstelligen, wenn ich nicht auf ihm herumlaufe? Mit einem Fernrohr?“
„Das wäre angemessener“, entgegnete der Alte. „Und was bringt Euch auf den Gedanken, nach einer Wunde zu suchen?“
„Nun, irgendwie muss er ja zu Tode gekommen sein, nicht wahr?“
Azelôt fuhr sich mit der Spitze des Zeigefingers über die Nase.
„Ich bin ganz ehrlich, junger Freund: Niemand, der bei Verstand war, hätte versucht, den Erhabenen zu verletzen.“
Sollte ich die Nadel erwähnen?
Nun, was gab ich damit schon preis? Man konnte diese Methode in jedem einigermaßen brauchbaren Handbuch für Drachentöter nachlesen. Und Nyredd selbst war ein Büchersammler gewesen, der sich solche Wunder der Zwergen-Buchmalerei wohl kaum hätte entgehen lassen. Also gab es hier, irgendwo ganz in der Nähe, Bücher, die man nur aufschlagen musste, um auf mörderische Ideen zu kommen.
Hm.
Welches Interesse mochte ein Mann wie Azelôt am Ableben seines Herrn haben?
Jedes, wie ich sogleich dachte.
Nyredd war für seine Launenhaftigkeit bekannt gewesen. Ebenso für seine Grausamkeit. Und ein möglicher Nachfolger hätte für einen kleinen Mord vielleicht Vergünstigungen in Aussicht gestellt.
„Wie hättet Ihr ihn denn getötet?“, fragte ich.
„Gar nicht“, erwiderte der Alte. „Das hätte schon der Respekt untersagt.“
„Nun, und wenn es der Respekt nicht untersagt hätte? Wie wäret Ihr vorgegangen?“
Er rollte seine Pergamente zusammen. Sein Blick auf Nyredds silberne Schuppen wirkte plötzlich nachdenklich.
„Wie hätte ich einen Drachen getötet? Ihr beliebt zu scherzen. Ihr seid der Drachentöter. Ich bin nur der alte Ratgeber eines noch weit älteren Drachen gewesen und werde nun bald brotlos sein.“
„Wieso sollte ein Nachfolger nicht so weise sein, sich ebenfalls auf Eure Ratschläge zu stützen?“
„Ich mag Eure gepflegte Satzbildung“, erwiderte Azelôt. „Den Gehalt der Sätze sollte man nichtsdestotrotz einer Überprüfung unterziehen. Denn selbstverständlich würde ein Nachfolger keinerlei Wunsch hegen, mich im Amt zu belassen. Ganz im Gegenteil. Daher habe ich Vorkehrungen getroffen, um nicht einfach
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