Drachenmord (Funny-Fantasy-Serie: Gesandter der Drachen) (German Edition)
Zeichen hinweg, wie über harmlose Kritzeleien.
Wir erreichten eine Halle.
Dort erwarteten uns die Drachenjungfern. Achtundvierzig weiß gekleidete Frauen, eine Kristalllampe in der Form einer Fackel in einer Hand, in der anderen ein Drachenzahnschwert. Ich musste nicht zählen. Es ist allgemein bekannt, dass jeder Drachenfürst genau achtundvierzig jungfräuliche, schöne Frauen benötigt, die ihm aufwarten. Wehe, eine von ihnen verliert ihre Unschuld. Es bedeutet ihr Ende. Einmal pro Jahr wandeln die Drachenjungfern an einem Zeigestein vorbei, der sich unweigerlich rot verfärbt, wenn ihn eine solch Unglückselige passiert. Dann wird die Frevlerin verschlungen und es muss eilends eine Nachfolgerin herbeigeschafft werden. Da die Umgebung einer Drachenfeste in der Regel längst abgekämmt ist, fliegen die jungen Drachen immer weiter, um das Verlangte herbeizuschaffen. Meist werden mehrere Dutzend Jungfrauen geraubt oder ihre Herausgabe mit Drohungen erzwungen. Nur eine von ihnen wird in den Dienst des Drachen treten. Die anderen verschwinden für immer.
Ich stand nun also achtundvierzig jungen und ausnehmend schönen Frauen gegenüber. Nerade war die vierte von links.
Sie blinzelte nicht, oder gab auf andere Weise zu erkennen, dass wir einander schon begegnet waren.
Lynfir bat ausnehmend höflich um Durchlass.
Keine der Frauen rührte sich. Also machte ich einen Schritt nach vorne.
„Wir sind gekommen, um Nyredd den Silbernen zu sehen.“
Daraufhin hoben alle achtundvierzig ihr Schwert und richteten es nach vorne – dorthin, wo ich neben Lynfir stand.
„Eindrucksvoll“, sagte ich. „Aber wie ihr wisst, habe ich einen Auftrag. Könnten wir nun also bitte hier durch?“
Ich hätte mir denken können, dass es nicht so einfach werden würde. Zwar gaben die Drachenjungfern einen schmalen Durchgang in ihrer Mitte frei, doch nur, um einem buckligen, alten Mann die Gelegenheit zu geben, uns ein vergilbtes Pergament unter die Nase zu halten. Seine Stimme passte genau zu diesem trockenen Stückchen alter Tierhaut.
„Es ist untersagt, hierherzukommen! Es ist untersagt, zu den Drachenjungfern zu sprechen. Es ist untersagt, Einlass zu begehren!“
Ich sah auf seinen Scheitel herab, der ölig und von gelblichen Schuppen gesäumt war.
„Es ist gewiss auch untersagt, den Herrn unter dem Berg zu ermorden. Genau das ist aber geschehen und deswegen sind wir hier. Behaltet also Euer Pergament bei Euch und sorgt dafür, dass wir hier mal weiterkommen!“
Der Ton schlug an.
„Oh, dann seid Ihr wohl Anjûl“, sagte das Männlein, bemüht, eine freundliche Miene aufzusetzen. „Gesandt, um uns in der Stunde der Verzweiflung Licht und Trost zu spenden.“
Ich sah mich in nicht in dieser Rolle, aber es konnte ja nicht schaden, zu nicken.
„Können wir nun zu ihm?“, fragte ich.
Wieder gab es Verzögerungen. Der Alte zog ein weiteres Pergament aus den Tiefen seines schmuddeligen Umhangs und ich gebot ihm mit einer Geste Einhalt.
„Schon klar. Es ist untersagt. Jedem. Aber nicht mir.“
„Und mir auch nicht“, ergänzte Lynfir freundlich.
Wahrscheinlich war es weniger das Ergebnis meiner Überredungskünste, als der Drachenbann in Lynfirs angenehmer Stimme, jedenfalls ließen sie uns schließlich doch in die Halle der Hallen ein.
Ich könnte heute nicht mehr sagen, was ich damals erwartete. Ich weiß nur, dass ich an Lynfirs Flanke Halt suchen musste.
Hinter einem weiteren schäbigen Durchgang öffnete sich unversehens ein Saal von gigantischen Ausmaßen. Im Halbdunkel blinkten darin wahre Berge aus Münzen, goldenen Geschirren, Kannen und Amphoren, durchsetzt mit Geschmeide aller Art. Überall blitzten Rubine, funkelten Smaragde und schimmerten Perlen. Wohin meine Augen sich wandten, sahen sie Reichtümer aufgehäuft. Statuen aus Alabaster lehnten neben Rüstungen aus Elfensilber und davor lagen Schwerter aus allen Teilen der Welt, schmale Klingen, gebogene und gezackte Kurzschwerter, die einst Zwergen gehört haben mussten, Dolche aus der Schmiede von Gâmish, Kampfäxte und Streitkolben …
Dahinter ragte ein Gipfel aus rein verlesenen Goldmünzen auf und dort oben, auf dessen höchster Erhebung, thronte etwas Dunkles von beängstigenden Ausmaßen: ein alles überschattender, ungeheurer Leib.
Lynfir duckte sich ein wenig.
Ich starrte zu dem Körper hinauf.
„Unmöglich“, sagte ich.
„Was ist unmöglich? Wusstest du nicht, dass Nyredd der größte Drache war, der jemals in diesem Teil der Welt
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