Drachenmord (Funny-Fantasy-Serie: Gesandter der Drachen) (German Edition)
nicht begegnet. Dafür einem Drachen.
Dieser Drache war plötzlich über mir, packte mich, warf mich hoch und ich stürzte einem rosigen Schacht entgegen, aus dem sich mir eine lange Zunge entgegenstreckte, da erkannte mich Lynfir noch gerade rechtzeitig, schloss das Maul nur leicht und spuckte mich sofort wieder aus.
Feucht und mit schmerzenden Gliedern rappelte ich mich aus dem blutverschmiertem Gras auf. Kleiderfetzen lagen herum.
„Ich wusste es“, sagte Lynfir. „Ich wusste, du kommst!“
„Was hätte ich auch sonst machen sollen?“, fragte ich säuerlich. „Vor mir sind hier aber augenscheinlich ein paar Bauernburschen aufgetaucht. Fünf, wenn mich nicht alles täuscht.“
„Fünf“, bestätigte Lynfir. „Und das zur Zeit! Ich war am Verhungern.“
Ich seufzte und nickte. Die kleine Lichtung legte nur allzu deutlich Zeugnis davon ab, dass hier ein Drache gespeist hatte.
„Was wollten sie?“
„Ärger“, sagte Lynfir.
Er wollte sich stolz aufrichten, sank dann aber mit einem Jammerlaut hinten ein.
„Was ist?“, fragte ich scharf.
Da fiel mir auf, was ich in der ersten Wucht der Begegnung übersehen hatte: Lynfir sah furchtbar aus! Lange Krallen hatten ihm Haut vom Fleisch gerissen. Ein Flügel hing herab. Und am Hinterlauf waren deutlich die Abdrücke von Drachenzähnen zu sehen.
Armer, tapferer Lynfir. Er machte die Schnauze schmal, indem er den Hals durchstreckte, und stellte sich dann entschlossen aufrecht hin.
Das gelang ihm nur für wenige Augenblicke. Dann taumelte er und ich rannte so schnell ich konnte, um nicht unter ihm begraben zu werden. Das ist das erste, was ein Drachenjäger lernt: Drachen sind gewichtige Persönlichkeiten. Erdrückende Persönlichkeiten.
Dicht hinter mir krachte Lynfir zu Boden.
Eine Wolke aus Staub hüllte mich ein. Die Hand über den Mund gepresst, verharrte ich auf den Knien. Als sich der Waber gelichtet hatte, sah ich auf. Vor mir stand das Mädchen. Da sie durchaus schon sechzehn oder siebzehn Jahre alt sein mochte, sollte ich wohl eher sagen: die junge Frau.
Sie trug nicht mehr das Kittelkleid mit Haube, sondern anliegende Lederhosen und ein passendes Wams über einem rotfleckigen Leinenhemd. Um ihre Hüften lag ein Gürtel mit Waffenscheide und darin steckte ein martialisch aussehender Langdolch. Ihre Stiefel erstaunten mich am meisten, denn sie waren aus Drachenhaut. Wenn ein Drache sie damit erwischte …
Lynfir war ein Drache.
Hm.
Das gab mir nicht zum ersten Mal etwas zum Nachdenken. Immer mehr wollte ich wissen, wer sie war. Ich rappelte mich auf und fragte schnell:
„Wie heißt du?“
Wieder überraschte sie mich.
„Ich habe keinen Namen.“
„Oh, komm! Ich kann dich doch nicht Mädchen nennen! Jeder Mensch hat einen Namen.“
„Nicht jeder“, erwiderte sie.
„Weshalb hast du keinen Namen?“
„Weil mir niemand einen gegeben hat.“
„Jede Mutter gibt ihrem Kind einen Namen!“
„Ich habe keine Mutter.“
Ich sparte mir die Frage nach dem Vater. Unwillkürlich dachte ich in Driacon, der Sprache der Drachen, so als sei das Ganze eine Drachenangelegenheit. Die Drachen kennen den Begriff Name nicht. Sie benutzen dafür einen Ausdruck, der ungefähr mit Ich-Person übersetzt werden kann. Das Wort ohne kennen sie ebenfalls nicht. Sie verwenden fehlen . Zusammen ergab das einen durchaus gefälligen Klang.
„Dann nennen wir dich Sîlshara!“
Sie lachte.
„Ich bin jemand, auch wenn mir der Name fehlt.“
Aha. Sie sprach also Driacon.
„Da hast du recht. Willst du dir nicht selbst einen Namen geben?“
Sie schüttelte abwehrend den Kopf.
„Das wäre nicht angemessen. Ich werde Onkel Lynfir nach einem Namen fragen.“
Onkel Lynfir …
Nun, das schlug dem Fass die Krone aus!
Wer war sie?
Entgegen albernen Geschichten, die man sich nachts am Herdfeuer zu erzählen pflegt, bleiben Drachen allezeit Drachen und Menschen bleiben Menschen. Sie vermischen sich nicht. Lynfir konnte also keineswegs ihr Onkel sein, ganz gleich was man ihrer Mutter oder ihrem Vater an Bekanntschaften unterstellen wollte.
„Wir sollten hier nicht herumstehen und unnützes Zeug reden“, sagte sie und ging einfach an mir vorbei. „Onkel Lynfir braucht unsere Hilfe.“
„Was auch immer wir da tun können.“
Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
Ich Narr! Ich unsäglicher Schwachkopf! Wie oft hatte ich schon Nerades Heilkünste in Anspruch genommen und mich stundenlang mit Schmerzen gequält! Und dabei trug ich die Ringe! Ich
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