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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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sie es vor, die Tatsache zu ignorieren, dass man durchaus nicht unbedingt auf Eis aufprallen musste, um bei einem solchen Sprung zu Tode zu kommen.
    »Mach das Fenster auf!«, befahl Tel. Viktor gehorchte. Es war sehr fest geschlossen. Die Gnome kümmerten sich wirklich gewissenhaft um alles. Aber schließlich musste er den Griff nur ein wenig zur Seite ziehen, damit die Scheibe überraschend leicht nach unten glitt. Eine Mischung aus Fahrtwind und Dampf drang ins Abteil.
    Der Donnerpfeil eilte mit voller Geschwindigkeit auf die Brücke zu. Ein Bahnwärterposten zog vorbei, ein steinernes Türmchen, das von zwei mit Arkebusen bewaffneten, finster dreinblickenden Gnomen bewacht wurde. Ein dritter, der eine Armbrust in den Händen trug, war dabei, ein kleines, dickes Pferd zu besteigen. Anscheinend wurden die Brücken in dieser Welt genauso bewacht wie jede beliebige Brücke auf der Anderen Seite, etwa die über die Msta. 15

    Das lebhafte Silber der Wasseroberfläche glitzerte weit unter ihnen. Mit Erleichterung stellte Viktor fest, dass keine Schutzgeländer oder zusätzlichen Querstreben an der Brücke angebracht waren. Nur die beiden eisernen Bänder der Gleise. Wenigstens würden sie nicht schon auf dem Weg nach unten gegen irgendwelche Stahlträger prallen.
    Und plötzlich wurde von außen an der Tür gerüttelt. Auf dem Gang erklangen gedämpft wütende Stimmen.
    »Jetzt springen wir, Viktor!« Tels Stimmchen ertönte neben ihm. »Los jetzt, wir müssen springen! Mach schon, sonst sterben wir!«
    Mit einem Satz stand sie auf dem Tischchen neben dem geöffneten Fenster.
    »Lass das Schwert nicht fallen!«, wies sie ihn noch an. »Komm jetzt, ich springe als Erste!«
    Schon stürzte sie sich hinaus. Viktor hatte den Eindruck, dass der Wind ihren zarten Körper erfasste und mit einem Ruck zur Seite zerrte.
    An der Tür krachte es. Unter ihr liefen dunkle Rinnsale hindurch.
    Viktor kniff die Augen zusammen. Das Wichtigste war, vertikal ins Wasser zu tauchen.
    Außerdem vorzugsweise nicht mit den Füßen voraus. Im wörtlichen Sinne. Sonst würde aus dem wörtlichen Sinn womöglich plötzlich ein übertragener Sinn.
    Viktor fluchte und stürzte sich aus dem Fenster.
    Er hatte etwa fünf Sekunden zur Verfügung. Ein erfahrener Magier vermochte eine ganze Menge in dieser Zeit. Und erst recht ein Magier des Wassers.
    Aber Tel hatte doch irgendetwas über das Springen von einem Felsen gesagt …

    Er fiel und hielt dabei sein Schwert fest. Er fiel ganz und gar nicht mit dem Kopf voraus, sondern wie ein Sack Mehl, wobei er die ganze Zeit verzweifelt mit den Beinen strampelte.
    Von unten kam ihm die Oberfläche des Flusses plötzlich entgegen wie ein wundersamer Höcker, der sich in die Höhe hob. Das Silber blies sich auf und explodierte, wie ein ungeheuerliches Geschwür; Viktor blickte unwillkürlich nach oben (kaum zu glauben, dass die Zeit dafür ausreichte!): Vor dem Hintergrund des Abendhimmels hoben sich starr die überstreckten Silhouetten ihrer vier Verfolger ab.
    Warum bin ich noch am Leben? Und warum falle ich so lange, fast wie Alice in die Kaninchenhöhle?
    Der Wasserhöcker begann sich zu öffnen, ein gewaltiges Ungetüm zeichnete sich ab, das vor allem aus einem riesenhaften Schlund und zwei reißenden Kiefern zu bestehen schien. Viktor versuchte sich krampfhaft in der Luft zu drehen … und die Luft unterstützte ihn zu seiner Überraschung gehorsam. Sein Körper fiel noch, aber langsam, ganz langsam; seine Hände schienen weißglühend geworden zu sein, und sein Schwert war ein grell leuchtender Schweif aus grünlichem Feuer.
    Oder kam ihm das alles nur so vor …
    Es platschte. Das eisigkalte Herbstwasser des Flusses nahm Viktor auf. Und augenblicklich spürte er einen bohrenden, reißenden Schmerz – als ob er in riesenhaften Schraubzwingen steckte.
    Er wedelte mit den Armen: nach oben, nur nach oben, ans Licht, an die Luft!
    Die schwere Pranke des Wasserungetüms drückte ihn wieder zurück in die Tiefe. Von unten durch den grauen Schleier
erkannte er vier bewegungslose Gestalten auf der Wasseroberfläche. Gotor und seine Helfer.
    Er verschluckte sich, spürte, wie das plötzlich hart gewordene Quellwasser seinem Körper zusetzte, und fuhr doch fort, nach oben zu strampeln.
    Und im gleichen Moment kam es über ihn: Wie konnten sie es wagen? Wie konnten diese armseligen Zauberer sich erdreisten, sich ihm in den Weg zu stellen? In den Weg des Drachentöters? Auf dem Bahnhof, als die Söhne des Grenzers

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