Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
nicht, selbst wenn ich könnte. Über meine Verwandten weißt du nichts … Es wird ja wohl kein Krieg herrschen, oder?«
»Nein.«
»Und sonst?« Der Kapitän dachte nach. »Ist sonst … irgendwas Interessantes passiert? Haben sie fliegende Untertassen gefangen oder ein Medikament gegen Aids gefunden oder …«
Er versank wieder in Nachdenken, ehe er mit der Hand abwinkte. »Eigentlich möchte ich nichts wissen, Vitja. Ich will mich nicht mal dran erinnern! Und das rate ich dir auch: Vergiss die Andere Seite einfach! Das hier ist unser Leben! Zum Warmen Ufer bringen wir Weizen und Fleisch, von dort holen wir Fisch und Wein. Die Natur ist voller Wohlgerüche! Die Mädchen …«, er zwinkerte Tel zu, die ihn zur Antwort anlächelte, »sind verspielt und wunderbar! Bier kostet nur ein paar Groschen! Wenn du krank wirst, gehst du zu einem Magier, der hilft dir besser als jeder Arzt! Wenn es dich zur Zivilisation zieht, dann musst du dich in der Nähe der Eisernen Route niederlassen; von den Gnomen bekommst du heißes Wasser und sogar Elektrizität. Ich zum Beispiel habe vor, ein geheiztes Klo einzubauen. Wenn das kein Paradies ist? Na?«
»Soweit ich weiß, gibt es hier Kriege«, bemerkte Viktor.
»Ha! Kriege! Jedenfalls weniger als bei uns! Und die Steuern sind, wenn man sich auskennt, völlig human. Und dass ein Bulle … mit einem Gummiknüppel …« Nikolaj seufzte auf. »Niemals! Nicht mal die Elfen … auch wenn sie Mistkerle sind. Ganz egal. Und seit ich vermögend bin, heuere ich sie einfach ab und zu mal an. Dann kommen sie mit ihren Lauten und Schalmeien, setzen sich in den Garten und singen. Und ich mach es mir auf der Veranda gemütlich und lass mir Bier und Speck schmecken!«
Sie saßen noch eine halbe Stunde so da. Nikolaj schenkte sich fleißig Bier ein und malte Viktor die Vorzüge der Mittelwelt in allen Farben aus. Tel lächelte nur spöttisch. Viktor selbst schwieg die meiste Zeit.
Dieser Kerl, sein Landsmann, hatte irgendwie etwas Trauriges an sich.
Nein, wenn er wirklich den Elfenfrauen nachgestellt hätte, oder mit den Gnomen auf der »Eisernen« arbeiten würde oder versuchte, ein Magier zu werden … Wahrscheinlich könnte sich Viktor dann für ihn freuen. Aber diese Art, seine Träume zu verwirklichen, indem man eine Elfentruppe anheuerte und beim Bier ihrer Musik lauschte … Bedeutete das am Ende, dass alle, die von der Anderen Seite in die Mittelwelt gelangten, bei Tageslicht besehen längst nicht so begeistert von Zauberei und Wunderwerken waren, wie sie selbst es immer geglaubt hatten? Es war eine Sache, sich eine Welt voller Magier vorzustellen, aber eine ganz andere, wenn man versuchen wollte, in ihr zu leben.
»Na schön, ich glaube, wir müssen jetzt schlafen gehen«, sagte Viktor. »Benötigen wir hier an Bord Nachtwachen?«
»Nichts da!« Nikolaj klopfte auf das Bierfässchen. »Ich stelle nur das Steuerrad fest, die Strömung trägt uns sowieso von selbst … die ganze Arbeit besteht darin, aufzupassen, dass wir nirgends leckschlagen. Komm, trinken wir noch eins?«
Viktor schüttelte den Kopf.
»Na, dann haut euch aufs Ohr. Ich geb euch noch’ne Matte …« Leicht schwankend stand der Kapitän auf und holte eine eng zusammengerollte Bastmatte aus dem Schrank; nach kurzem Zögern legte er noch eine schmutzige Wolldecke obendrauf. »Was ich hab, das geb ich gern … na, macht es euch auf Deck bequem …«
»Danke dir.« Insgeheim hegte Viktor die Befürchtung, dass Nikolaj Tel vorschlagen würde, mit ihm die Kajüte zu teilen. »Wir sind da vorne am Bug, ja?«
»Fallt nur nicht ins Wasser. Ich werd noch ein wenig hier sitzen.«
Als sie schon in der Tür waren, rief Nikolaj ihnen noch hinterher: »Wenn ihr nicht schlafen könnt, kommt einfach zurück …«
Viktor war nicht ganz klar, an wen dieses indirekte Angebot in erster Linie gerichtet war. In der immer dichter werdenden Dunkelheit rollte er die Bastmatte an Deck aus. Sie versprach keinen besonderen Komfort, aber immerhin … Er zog Jacke und Pullover aus, rollte sie zusammen und legte sie auf das eine Ende der Matte.
»Statt Kissen.«
»Mhm.« Tel setzte sich auf den Rand der Matte und streckte die Beine aus. »Ich bin wirklich müde. Danke. Ich hatte schon Angst, dass du bis zum Morgen mit diesem … Nikolaj sitzen würdest …«
Viktor lachte. »Warum, hat er dir nicht gefallen?«
»Ein Schmutzfink«, sagte Tel verächtlich. »Und ein Saufbold.«
»Warum hast du dich dann von ihm küssen lassen?« Viktor
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