Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
Ritor?« Siward konnte die Frage nicht zurückhalten. Bis jetzt hatte nur er mit dem Magier der Luft gesprochen. Alle anderen hatten geschwiegen, nur das Feuer brannte immer heißer und heißer in der gewaltigen schwarzen Feuerstelle. »Jetzt unterstützt du den Herrscher? Hast du begriffen, dass du gemeinen Verrat an ihm begangen hast, Ritor?«
So durfte man nicht mit einem Magier reden, und erst recht nicht mit einem, der Ritor hieß. Der Magier der Luft
zeigte seinen Zorn mit keiner Bewegung; seine Mission war zu wichtig, als dass er sich den Luxus offenkundiger Verärgerung geleistet hätte.
»Ich verstehe nicht, was das mit unserem Anliegen zu tun hat, ehrwürdiger Siward«, erklärte Ritor mit kalter Stimme. »Haben wir uns hier versammelt, um über die Vergangenheit oder über die Zukunft zu sprechen? Was vergangen ist, ist tot, und keiner wird es mehr ändern. Aber die Zukunft könnte uns alle dem Erdboden gleichmachen, begreifst du das, ehrwürdiger Siward? Ferner …«
»Wenn du nicht so eifrig gewesen wärst, ehrwürdiger Ritor, dann würden wir jetzt nicht vor dieser Wahl stehen«, widersprach Siward im gleichen Ton. »Der Geflügelte Herrscher wäre ein zuverlässiger Schutz vor den Angeborenen; niemals würden sie es wagen, wieder gegen uns vorzurücken. Es wäre niemals zu dieser Fehde mit Torn gekommen, und Nawacho wäre noch am Leben. Verstehst du, ehrwürdiger Ritor? Gib endlich zu, dass eben du der Schuldige für all unser Unglück bist.«
Es gehörte sich nicht, einen Magier zu unterbrechen, und dazu noch ein Clanoberhaupt, das vor dem Rat sprach. Ritor beherrschte sich.
»Du erwartest also eine Rechtfertigung von mir, ehrwürdiger Siward?«, fragte er. »Deine Fragen sind nicht an mich gerichtet. Was willst du von mir? Reue? Dass ich euch auf Knien um Verzeihung bitte, Asche auf mein Haupt streue? Entschuldige bitte, aber ich verstehe dich nicht.«
Eine solche Antwort hatte Siward nicht erwartet. »Du bist also der Meinung, dass du das Recht hast, uns um Hilfe zu bitten, ohne dabei Reue zu zeigen?«
»Wenn der Rat des Feuerclans meine Bitte um Hilfe ablehnt, werde ich gehen.« Jetzt war Ritors Stimme noch kälter.
»Wenn der Rat des Feuerclans beschließt, sich an mir zu rächen … für den Geflügelten Herrscher, so bin ich bereit. Aber ich fordere euch auf, die Regeln des Duellkodex zu beachten. Entweder müsst ihr mich hinterhältig erschlagen, oder ihr stellt mir einen Duellanten gegenüber. Aber ich warne euch …« Ritor lachte böse. »Dem wird es übel ergehen. Mit dir, Siward, werde ich jedenfalls ganz bestimmt fertig. Sofern du ehrlich kämpfst.«
»Und du, hast du ehrlich gekämpft, als du den letzten Drachen tötetest?«, schrie Siward.
»Forderst du mich heraus, Siward, Magier zweiten Ranges?«, donnerte Ritor und erhob sich von seinem Platz.
Siward geriet in Verwirrung. Er hatte die Beherrschung verloren, sich seinem Zorn überlassen und sich damit in eine vertrackte Situation gebracht.
Ein Duell mit Ritor würde praktisch einem Selbstmord gleichkommen. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem sie sich im Kriegszustand mit dem Wasser befanden.
Ritor begriff, dass der Magier nicht zurücktreten konnte, ohne sein Gesicht zu verlieren.
»Wenn der Rat des Feuerclans darauf besteht, bin ich bereit, eine Entschuldigung vorzubringen«, sagte Ritor. »Ich bedaure, dass unsere Clans verfeindet sind. Ich werde jetzt keine Ode an die Freiheit anstimmen …«
»… die sich in Blut und Kriege verwandelt hat!«, rief eine sehr junge Stimme. Ritor blickte in die Richtung, aus welcher der Zwischenruf gekommen war, und sah ein junges Mädchen von höchstens achtzehn Jahren. Sie stand im dritten Rang, was für ihr Alter sehr beachtlich war.
»Ich gebe euch mein Wort, das Wort Ritors, dass ich, wenn … wenn das alles vorbei ist, dass ich dann zu euch kommen werde und jedem, den es danach verlangt, Satisfaktion
gebe. In Worten und in Beschwörungsformeln. Jeder, wie er mag. Jetzt bedarf ich eurer Hilfe, um dem Drachentöter Einhalt zu gebieten. Ist der Clan des Feuers denn nicht auch daran interessiert?«
Siward schwieg. Ein älterer Magier vom Strafkommando, ein kräftiger Mann um die vierzig mit kahl rasiertem Schädel, ergriff überraschend das Wort.
»Wir waren dem Geflügelten Herrscher treu. Das ist wahr, denn wir sind der Meinung, wer einmal sein Wort gegeben hat, der muss es halten. Andernfalls darf man es gar nicht erst geben. Aber darüber hinaus, Ritor, sind wir nicht
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