Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
unwahrscheinlicher Traum – aber bis zuletzt so überzeugend und so real wie zum Beispiel dieses Hotel.
Tja, Radas Cocktail hatte nichts genützt. Von angenehmen Träumen konnte keine Rede sein.
Nachdem er aus einer Welt in eine andere versetzt worden war, nachdem er Wesen gesehen hatte, die ihren Platz im Märchen hatten, nachdem er getötet hatte …, konnte er vermutlich keinen Anspruch auf andere Träume erheben. Höchstens auf eine Schlägerei mit einem schwachsinnigen Scheusal, das einen Freddy Krueger im Miniaturformat in seinem Kessel kochte …
Viktor wälzte sich im Bett herum, er wollte es nicht zu bequem haben, denn er hatte nach diesem Alptraum kein Bedürfnis, noch einmal einzuschlafen.
Aber der Schlaf kam trotzdem, denn Viktor war einfach zu müde. Er brachte keine Träume mit sich, weder schöne noch schreckliche.
Und das war gut so.
Bis zur Versammlung des Rates blieb nicht mehr viel Zeit übrig. Ritor saß in seiner Wohnung, im dritten Stockwerk der Schule, in einem spartanisch eingerichteten, geräumigen Zimmer. Nur ein schmales hartes Bett, ein Waschtisch und ein kleiner Schrank standen darin – das war alles, was man zum Leben brauchte. Den übrigen Platz nahmen ein gewaltiger Schreibtisch sowie große Regale ein, die sich entlang der Wände bis unter die Decke zogen und mit Büchern vollgestellt waren.
Die Tür hatte sich eben erst wieder hinter Taniels Mutter geschlossen.
Ritor presste die Handfläche auf die Stirn und strich sich dann übers Gesicht. Was hätte er der Unglücklichen sagen können? Was antworten auf ihre wütende Raserei, ihre Anschuldigungen? Unterm Strich gab es nichts zu sagen.
Und deshalb hatte er geschwiegen. Gut, dass sein Bruder nicht gekommen war. Das hieß, er gab ihm nicht die Schuld. Das hieß, er konnte ihm verzeihen. Oder hatte er Angst, dass der Zorn mit ihm durchging? Lieber nicht darüber nachdenken …
Gleich würde der Rat zusammentreten. Für den Krieg stimmen.
Um Torns Kopf auf einem Pfahl aufzuspießen, damit jeder ihn sehen konnte. Um die Erinnerung an den Clan des Wassers vom Antlitz der Erde zu tilgen. Waren sie so stark? Wie auch immer … Getreu dem Motto: Unsere Sache ist richtig, der Feind wird vernichtet, der Sieg ist unser!
Sie umzustimmen würde unmöglich sein. Selbst die Besten unter ihnen. Also musste er einen Weg suchen, um ihren Zorn umzuleiten. Auf den Drachentöter. Und danach konnte er sich Gedanken machen, wie man den Krieg »seltsam« machte … bis zu dem Moment, wenn aus den drückenden, dampfenden Nebeln des südlichen Meeres die adlerköpfige Flotte der Angeborenen auftauchte.
Na und? In dieser Situation war eine kleine Lüge verzeihlich. Ich muss den Clan des Wassers schützen, damit er sich mit uns gegen den Feind stellen kann, dachte Ritor. Torn könnte … hm … plötzlich verschwinden. Und dann bricht die Zeit des Drachen an. Der Magier der Luft erzitterte unwillkürlich.
In der Nähe läutete ein Glöckchen. Ganz leise, aber eine dienstfertige Brise sorgte dafür, dass der Klang weitergetragen wurde. Ritor erhob sich entschlossen.
Der Rat begann.
Er verließ sein Zimmer, ohne sich die Mühe zu machen abzuschließen, denn keiner würde es wagen, bei ihm einzudringen. Er trat auf die Galerie hinaus, die alle Räume der Schule miteinander verband. Natürlich war für heute kein Unterricht vorgesehen, dennoch waren die Schüler noch nicht auseinandergegangen. Dem großen Saal, in dem der Rat stattfand, kamen sie nicht zu nahe, um keinen Verweis oder gar eine Ohrfeige von unsichtbarer Windeshand zu riskieren – die Magier machten unter Umständen kurzen Prozess. Und dennoch trieben sich im Hof Jungs herum, solche, die noch kaum die Luft spüren konnten, sie taten, als ob sie spielten und blickten doch immer wieder zur Kuppel des großen Saals hinauf. Und im Klassenzimmer mit den ein für alle Mal geöffneten, großen Fenstern, durch die der Wind hindurchpfiff, saßen die älteren Schüler …
scheinbar in die Lektüre vertieft. In der Nähe des Saals begegnete Ritor einem der talentiertesten älteren Schüler, der sich gerade auf die große Prüfung vorbereitete, um den Umhang des Luftmagiers zu erhalten; mit verdächtigem Eifer putzte er den bereits sauberen Boden. Die Aura des Jungen war beinahe undurchdringlich … aber nicht für Ritor. Trotz der ernsten Angelegenheit, die bevorstand, musste der Magier lächeln.
Und wenn schon. So war es schon immer, und so würde es immer sein: Die Schüler
Weitere Kostenlose Bücher