Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
warum nicht?«
    »Kommen Sie zu mir.«

    Ohne den Blick von dem Bogen auf dem Tisch abzuwenden, ging Viktor auf den Wächter zu. Und erstarrte, während ihm die Röte ins Gesicht stieg.
    Der Elf, der vor ihm am Tisch saß, hatte keine Füße. Seine Hose aus grüner Seide endete knapp unter den Knien.
    »Es wäre sehr beschwerlich für mich, Ihre junge Weggefährtin zu holen«, fuhr der Elf fort. »Sie hat das Hotel vor zwanzig Minuten verlassen.«
    »Verzeihen Sie …«, flüsterte Viktor.
    »Bevor sie wegging, hat sie den Schlüssel abgegeben«, erklärte der Elf, ohne auf die Entschuldigung einzugehen. »Sie sagte, sie wolle mit dem Morgenzug abreisen. Ich nehme an, dass es mir um nichts in der Welt gelingen würde, sie noch zu erreichen.«
    Die Stille wurde durch ein zweifaches Pfeifen durchbrochen. Der Elf runzelte die Stirn, als wäre ihm das Geräusch, selbst durch die Mauern gedämpft, unaussprechlich zuwider. »Und nun, so vermute ich, würden auch Sie das Mädchen nicht einholen können.«
    Es vergingen einige Sekunden, ehe Viktor begriff, was passiert war.
    »Tel ist mit dem Zug abgereist?«
    »Wenn Ihre Weggefährtin Tel heißt, ja. Natürlich könnte sie es sich auch anders überlegt haben.« Der Elf stützte sein Kinn auf seine schmalen Finger. »Aber ich hatte den Eindruck, dass ihren Worten stets Taten folgen.«
    Viktor ging wie betäubt zur Tür.
    »An Ihrer Stelle würde ich frühstücken«, rief ihm der Elf hinterher. »Ich würde mich mit einem Krug Ale zehn Minuten in Ruhe hinsetzen. Und erst dann würde ich zur Tat schreiten. Übrigens, für den Fall, dass Sie meinem Rat folgen, könnten Sie Rada bitten, mir ebenfalls ein Frühstück zu bringen?«
    »Ich … werde es ihr … sagen.« Viktor blickte dem Elf ins Gesicht. Sein Ausdruck war nicht verächtlich und auch nicht spöttisch, nur fremd. »Wie heißen Sie? Dersi?«
    »Für die Menschen … ja.«
    »Dersi, ich hatte gestern Nacht den Eindruck, dass Ihr Kollege das Mädchen erkannt hat …«
    »Fragen Sie ihn selbst.«
    »Hat er seine Vermutungen nicht mit Ihnen geteilt?«, fragte Viktor vorsichtig.
    Das Gesicht des Elfen veränderte sich eine Spur, und Viktor begriff, dass er den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
    »Fragen Sie ihn selbst. Der Rote kommt zum Mittagessen. Ich will mich nicht in die Angelegenheiten der Menschen einmischen.«
    »Danke.« Viktor gab es auf. »Ich werde Ihrem Rat folgen.«

6
    Im Tageslicht büßte das Restaurant einiges an Intimität ein, dafür wurden neue Einzelheiten des Interieurs sichtbar. Alte Schwerter und Speere waren an den Wänden zwischen den Fenstern befestigt. Einige durchlöcherte Waffenschilde hingen unter der Decke. Allerdings waren nun auch die Rußflecken auf den Kerzenleuchtern zu erkennen ebenso wie die Abdrücke auf der Zwischenwand zwischen Tür und Bar – als hätte jemand sich lange die Zeit damit vertrieben, die Beine gegen die Wand baumeln zu lassen.
    Es waren keine neuen Gäste hinzugekommen. Der untersetzte Mann, der am Vorabend mit dem Kopf auf dem Tresen geschlafen hatte, saß an einem Tischchen in der Ecke und verzehrte geräuschvoll sein Frühstück. Rada hockte an der Tür und besah sich noch immer das missratene Schwert.
    »Ist es wirklich ruiniert?«, fragte Viktor und setzte sich neben sie. »Dieser Dersi bittet darum, ihm das Frühstück zu bringen.«
    Rada atmete tief durch, erhob sich und machte sich etwa eine Minute hinter dem Tresen zu schaffen. Viktor wartete und berührte mit der Fingerspitze vorsichtig die glänzende
Schneide. In seinen Augen war das Schwert scharf wie eine Rasierklinge.
    Übrigens, wie rasierte man sich hier eigentlich? Rasierzeug hatte er nicht dabei. Womöglich gab es hier Elektrorasierer? Viktor kicherte dümmlich und zog seine Hand vom Schwert.
    Rada kam zurück mit zwei Pokalen, die mit einem öligen schwarzen Gebräu angefüllt waren. Das Getränk schäumte und sprudelte.
    »Hier ist ein Sprudelnder Tag«, sagte das Mädchen.
    Viktor blicke das Gefäß misstrauisch an und hob es unter die Nase. Die Flüssigkeit roch frisch. Fast wie Ozon.
    »Rada, kann man das auch wirklich trinken?«
    Das Mädchen nippte schweigend an ihrem Pokal.
    Viktor seufzte und nahm einen Schluck.
    Es schmeckte wunderbar. Alkohol war praktisch nicht zu spüren. Leicht säuerlich und kühl am Gaumen – nicht nach Pfefferminz, eher wie Eis, obwohl die Flüssigkeit warm zu sein schien.
    »Das Schwert ist nicht ruiniert«, bekannte Rada unvermittelt. »Ein schräger

Weitere Kostenlose Bücher