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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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einem Halbkreis aus dem Nebel auf und drängten sie gegen den Zug. Und hinter den Angreifern wiegte sich das formlose, gurgelnde Ungeheuer schimmernd im Dunst.
    Viktor musterte die Gegner, und sein Blick blieb an demjenigen hängen, der einen kurzen hellblauen Mantel über den Schultern trug. Er wirkte keinesfalls alt, vielmehr alterslos.
    »Gotor, Magier des Wassers …«
    Wieder kam sie über ihn, jene Mischung aus Zorn und Kraft; und seine Lippen formten die Worte von selbst, während sich auf den Gesichtern der Feinde Angst breitmachte.
    »Wieder trittst du mir in den Weg, Gotor. Ich habe eine Strafe ersonnen, die deiner würdig ist. Ich trinke deine Kräfte und werfe dich zum Sterben in eine verdorrte Wüste …«
    »Töte ihn!«, schrie Gotor. Und durch die Aufstellung der Kämpfer schritt, für einen Augenblick seine frühere Gestalt annehmend, der ungeheure Wassergeist. So schnell, dass die Räuber es nicht verhindern konnten. Seine durchsichtigen Hände schlugen auf Viktor ein, offenbar wollte er ihn in den Bahnsteig hineinrammen.
    Als würde man einen Eimer Wasser über ihm ausgießen. Nein, zehn Eimer. Die Pranken des Monsters, die eben noch hart und tödlich ausgesehen hatten, verwandelten sich in fließendes Wasser. Das Ungeheuer kreischte jämmerlich auf, und seinen durchsichtigen Körper durchlief ein Zittern
und Beben und verwandelte ihn in Fontänen, Spritzer und Rinnsale, die auseinanderflossen.
    Durchnässt von Kopf bis Fuß – davor hatte ihn auch die Jacke nicht schützen können – ließ Viktor sein Schwert sinken. Die kalte Dusche hatte die geheime Kraft aus seinem Bewusstsein verjagt, er war wieder er selbst, ein verwirrter, erschrockener Neuankömmling in einer fremden Welt.
    Aber das konnten seine Feinde kaum wissen. Sie wichen zurück, suchten den Rückzug – bis Gotor schrie: »Vorwärts! Mit den Schwertern …«
    Die Dampfsirene gellte durchdringend und verschluckte alle anderen Geräusche. Die Kämpfer vom Clan des Wassers zögerten nur wenige Sekunden, ehe sie erneut angriffen.
    »Der Zug fährt ab!«, schrie der Gnom und trat einen Schritt höher auf der Treppe.
    Viktor überlegte nicht lange. Er wollte sich nicht darauf verlassen, dass er seine vorherige Geschicklichkeit im Umgang mit dem Schwert wiedererlangen würde. Er schob die Waffe zurück in die Scheide – wenigstens das gelang ihm -, fasste den jüngsten der Brüder, der sich soeben in den Kampf stürzen wollte, am Arm und schleuderte ihn kraftvoll die kleine Treppe hinauf, geradewegs in die Arme des Gnoms.
    Der Gnom wurde von dem unerwarteten Aufprall rückwärts auf den Boden geworfen und stieß einen Fluch in einer unbekannten Sprache aus, aber er schubste den Jungen nicht wieder aus dem Zug. Im Gegenteil, er zog ihn weiter hinein auf die Plattform und streckte dann Viktor die Hand entgegen.
    Der fasste die harten, wie aus Stein gemeißelten Finger und schwang sich in den Waggon. Hinter ihm wichen der
Grenzer und Andrej immer weiter vor den Gegnern zurück.
    Der Zug setzte sich in Bewegung, langsam, aber stetig gewann er an Tempo.
    »Vater! Du bist wichtiger!«, schrie der Sohn des Räubers, während er verzweifelt Schwerthiebe parierte. »Steig ein, Vater!« Zum ersten Mal konnte man Angst in seiner Stimme hören.
    In der Tiefe seines Herzens war Viktor überzeugt davon, ja, er hoffte es sogar, dass der Grenzer der Aufforderung nicht folgen würde. Das wäre einfach zu viel des Guten, wenn jemand um seinetwillen den eigenen Sohn ins Verderben stürzte.
    Aber der Grenzer wehrte einen weiteren Hieb ab und rannte hinter dem Waggon her. Er sprang auf die Stufen, und Viktor, der seinen sinnlosen Ärger bezwingen musste, half ihm hinauf.
    Auf dem Bahnsteig ertönte Andrejs Schrei, der sich wie ein Wahnsinniger auf die Feinde stürzte. Die Kühnheit seiner Attacke war so erschütternd, dass diese für einen Moment lang zurückwichen. Aber dann flogen die Schwerter dem Jüngling entgegen, und ihre geschärften Schneiden drangen in seinen Körper.
    Doch Andrej stürzte sich noch einmal nach vorne – seine Wut war nicht mehr menschlich, eher tierisch, wie die eines bereits aufgespießten Bären, der wild vor Raserei hinter dem Jäger her stürmt. In einem letzten Kraftakt hieb er einem der Kämpfer den Kopf ab, dann sank er zu Boden, vor die Füße seiner Widersacher. Der Grenzer, der noch immer an den Haltestangen hing und mit ansehen musste, wie sein Sohn starb, stöhnte leise auf. Dann schob er sich auf die Plattform, tat

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