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Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow

Titel: Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Berge und das gedrungene Gebäude, in dem er schon gewesen war. Diesmal lag kein säuerlicher Geruch in der Luft, und aus dem Kamin stieg kein Rauch.
    »Was hat das jetzt wieder zu bedeuten, Brüderchen?«, flüsterte Viktor vor sich hin. Dann rief er: »He, Hausherr! Mir hat’s bei dir gefallen, komm und nimm deinen Gast in Empfang!«
    Im Durchgang, der die Tür ersetzte, erschien niemand. Auch das Feuer, das beim letzten Mal in der Dunkelheit geleuchtet hatte, war verschwunden. Viktor sprang ans Ufer, hob die Füße hoch in die Luft und versuchte, das Wasser aus den Schuhen zu schütteln. Es gelang ihm nicht, und er war gezwungen, sich auf die glattgeschliffenen Kiesel zu setzen und die Schuhe auszuziehen.
    Nein, hier war nichts richtig. Zu real für einen Traum. Oder konnte man im Traum mit der Hand nassen Sand schöpfen und jedes einzelne Sandkörnchen erkennen? Konnte man jeden einzelnen Kiesel unter den Füßen spüren? Konnte man in der Ferne jede Bewegung der violetten Zweige erkennen, wenn man in die durchsichtige Luft blickte?
    Viktor verspürte Angst, vorerst war sie noch unsicher und schüchtern. Wie ein kalter Klumpen auf seinem Herzen. Aber befand er sich nicht in einer Welt, die nach anderen Regeln funktionierte? War es nicht möglich, dass die Träume hier materiell waren?
    Nein! Dieser Idee durfte er sich nicht verschreiben. Schon allein deswegen, weil er nach seinem ersten Traum dieser Art weder Blutergüsse noch Blutspuren an seinem Körper gefunden hatte. Und der lächerliche Kampf mit dem unfreundlichen Dickwanst hätte solche zurücklassen müssen.

    Es gibt Träume, Töchterchen, einfach nur Träume. Er würde es mit den guten alten Freud-Witzen halten und versuchen, die Rätsel, die ihm sein Unterbewusstsein aufgegeben hatte, zu lösen.
    Viktor zog die nassen Socken über und schlüpfte widerwillig in seine Schuhe; er wäre lieber barfuß gegangen, aber er wollte sich die Fußsohlen nicht am Riedgras aufschneiden.
    Durch das hohe Gras ging er in Richtung des Laboratoriums. Plötzlich hielt er überrascht inne.
    Von einer anderen Stelle des Ufers aus verlief bereits ein kleiner Pfad zu dem Gebäude hin. Das Riedgras war niedergedrückt und geknickt. Dort war er beim ersten Mal entlanggegangen.
    Es war nicht Traum und auch nicht Wirklichkeit. Er hinterließ Spuren in dieser Welt – aber die Welt hinterließ keine Spuren an ihm. Unwillkürlich beschleunigte Viktor seinen Gang, wechselte auf den bereits vorhandenen Pfad und begann dann zu laufen. Von irgendwoher kam ihm der Gedanke, dass die ihm zur Verfügung stehende Frist in dieser Welt nicht besonders lang war. Und er konnte, ja, er musste hier etwas verstehen.
    »Hausherr!« Viktor blieb am Eingang stehen und versuchte ein weiteres Mal, den kleinwüchsigen, dicken Alchimisten herauszurufen.
    Stille. Aus der Ferne war das Rauschen der Wellen zu hören, mehr nicht.
    »Na dann … nichts für ungut.« Viktor trat ein. Wieder gewöhnten sich seine Augen augenblicklich an das Halbdunkel.
    Das umgestürzte Regal lag noch immer auf dem Boden. Auf den Regalbrettern, die noch an der Wand hingen, befanden sich längst nicht mehr so viele merkwürdige Gegenstände
wie vorher. Aber das Wichtigste war, dass der Kessel fehlte und kein Feuer brannte. Der Brei war wohl fertig gekocht – Brei mit Freddie Krueger in Miniaturausführung …
    Sich misstrauisch umsehend, trotz allem war es ja nicht richtig, was er tat, hob Viktor den Deckel der Truhe. Vorsichtig, denn wer wusste schon, was für eine Scheußlichkeit sich da noch versteckt hielt.
    Die Truhe war leer. Nur eine dicke Schicht Staub und Spinnen in den Ecken. Aber halt, das war doch interessant. Wie hatte der Dicke das kleine Männchen herausholen können, ohne Spuren zu hinterlassen?
    Viktor war mit einem Mal froh, sehr froh über diese kleine Unstimmigkeit in seinem Traum. Sonst wäre alles noch furchtbarer. Dieser Traum, der kaum weniger klar und folgerichtig war als das wirkliche Leben, war eine unangenehme Sache.
    »Ho, ho!«
    Er drehte sich um.
    Der rotgesichtige Dickwanst stand im Eingang und wischte sich die Hände an seinem riesigen Bauch ab. Er blickte verwirrt und leicht verschmitzt, wie einer, der einen missratenen Scherz gemacht hatte. Sein Lächeln war unbeholfen, aber doch wohl freundlich.
    »Hier gibt es nichts, guter Mann!«, erklärte der Dicke sehr verständig. Er trat ein, wobei er mit den Schultern die Wände streifte. Mit einem Seufzer blickte er sich im Raum um. »Früher war

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