Drachenreiter
Aufregung. Ben griff in seine Hosentasche, zog zwei Streifen Kaugummi, einen Kugelschreiber, zwei Gummibänder und ein Fünfmarkstück heraus und legte alles vor der Ratte auf den Boden. »Was davon willst du?«, fragte er.
Gilbert Grauschwanz leckte sich über die Zähne. »Nicht einfach«, sagte er und untersuchte alles sehr eingehend. Schließlich zeigte er auf die Kaugummis. Ben schob sie ihm hin.
»Gut. Her mit der Karte.« Gilbert zog die Pfote von der Karte und Ben steckte sie Schwefelfell in den Rucksack.
»Wenn du mir auch den Kugelschreiber gibst«, näselte die weiße Ratte, »verrate ich euch noch etwas, das vielleicht nicht unwichtig ist.«
Ben schob Gilbert den Kugelschreiber hin und steckte die anderen Sachen wieder ein. »Schieß los«, sagte er. Gilbert beugte sich etwas vor. »Ihr seid nicht die Einzigen, die den Saum des Himmels suchen«, zischte er.
»Was?«, fragte Schwefelfell verdutzt.
»Seit Jahren tauchen hier immer wieder Raben auf«, wisperte Gilbert. »Höchst eigenartige Raben, finde ich. Sie fragen nach dem Saum des Himmels, aber vor allem sind sie an den Drachen interessiert, die sich dort angeblich verbergen. Ich habe ihnen natürlich nichts von den Drachen erzählt, die meine liebe Kusine Rosa kennt.«
»Wirklich nicht?«, fragte Schwefelfell misstrauisch.
Gilbert richtete sich beleidigt zu seiner vollen Größe auf. »Natürlich nicht. Für was hältst du mich?« Er rümpfte die Nase. »Sie haben mir viel Gold geboten, Gold und schöne Steine. Aber ich mochte die schwarzen Burschen nicht.«
»Raben?«, fragte Ben. »Wieso Raben? Was haben die mit Drachen zu tun?«
»Oh, die fragen nicht für sich.« Gilbert Grauschwanz senkte wieder die Stimme. »Die kommen im Auftrag von jemandem, aber ich habe noch nicht herausbekommen, von wem. Wer immer es ist, euer Drache sollte sich vor ihm hüten.«
Schwefelfell nickte. »Der Goldene«, murmelte sie.
Gilbert und Ben sahen sie neugierig an.
»Was hast du gesagt?«, fragte der Junge.
»Ach, nichts.« Nachdenklich drehte sie sich um und ging auf das Loch im Regal zu.
»Mach's gut, Gilbert«, sagte Ben und folgte ihr.
»Grüßt Rosa von mir, falls ihr je wieder nach Hause kommt!«, rief die Ratte ihnen nach. »Sagt ihr, sie soll mich mal wieder besuchen. Es gibt da eine Fähre ganz in eurer Nähe, auf der sie kein Rattengift streuen.«
»Ach ja?« Schwefelfell drehte sich noch einmal um. »Was gibst du mir dafür, dass ich ihr das sage?« Dann verschwand sie ohne auf Gilberts Antwort zu warten zwischen den Regalbrettern.
DRACHENFEUER
»Na, das hätten wir uns ja wohl sparen können!«, fauchte Schwefelfell, als sie wieder auf der Straße standen. »Da kommen wir nur wegen dem aufgeblasenen Rattenkerl in diese stinkende Stadt, und was gibt er uns? Fauliger Glockendüngerling! Eine Karte. Voll gekritzeltes Papier! Pah, ich hätte diesen Himmelssaum auch so gefunden, nur mit meiner Nase.« Sie äffte Gilberts Stimme nach. »Dann kommen wir jetzt zur Bezahlung. Mit seinem Schwanz hätte ich ihn an seinen Globus knoten sollen, diesen albernen Fettmops.«
»Ach, reg dich ab.« Ben schob Schwefelfell die Kapuze über die Ohren und zog sie hinter sich her die Straße hinunter. »Die Karte ist nicht schlecht. Manche Sachen kann man nicht riechen!«
»Ach was, davon verstehst du nichts«, murmelte Schwefelfell, während sie missmutig hinter ihm herstapfte. »Ihr Menschen benutzt eure Nasen doch nur noch, um sie in Taschentücher zu stecken.«
Eine Weile gingen die zwei schweigend nebeneinanderher. »Wann wollt ihr wieder aufbrechen?«, fragte Ben irgendwann.
»Sobald es dunkel wird«, antwortete Schwefelfell - und rannte fast in einen dicken Mann hinein, dessen Dackel den Bordstein beschnüffelte. Der Hund hob überrascht die Schnauze, als ihm der Koboldgeruch in die Nase stieg. Knurrend zog er an seiner Leine. Ben zerrte Schwefelfell in die nächste Seitenstraße.
»Komm«, sagte er. »Hier ist weniger los. Wir sind sowieso gleich da.«
»Steine, Steine, nichts als Steine!« Schwefelfell sah unruhig an den Häusermauern hoch. »Mein Magen knurrt lauter als die Fahrmaschinen. Ich bin heilfroh, wenn wir hier wieder weg sind.«
»Es muss aufregend sein, auf so eine große Reise zu gehen«, sagte Ben.
Schwefelfell runzelte die Stirn. »Ich wäre lieber in meiner Höhle geblieben, viel lieber.«
»Aber zum Himalaja!« Ben ging gleich schneller, so aufregend klang das. »Und du fliegst auf einem Drachen! Mann!« Er
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