Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
Vom Netzwerk:
aufmachte, quollen ihm Karten entgegen, Landkarten, kleine und große, alte und neue. Gilbert Grauschwanz brauchte einige Zeit, bis er die richtige herausgefischt hatte. Sie sah seltsam aus, ganz anders als die Karten, die Ben kannte, eher wie ein kleines Buch, unzählige Male zusammengefaltet, mit schmalen weißen Bändern, die an den Seiten herausbaumelten.
    »Eine Karte?«, fragte Schwefelfell enttäuscht, als Gilbert das eigenartige Ding stolz vor ihnen ausbreitete. »Du hast nur eine Karte für uns?«
    »Ja, was hast du denn gedacht?« Beleidigt stemmte die Ratte die Pfoten in die Hüften.
    Darauf wusste Schwefelfell keine Antwort. Mit zusammengekniffenen Lippen guckte sie auf die Landkarte hinunter.
    »Seht euch das an.« Gilbert strich zärtlich mit der Pfote über Meere und Gebirge. »Die halbe Erde ist drauf. Und nur ganz wenige weiße Flecken, über die ich nichts in Erfahrung bringen konnte. Wie schon gesagt, leider sind die meisten davon ausgerechnet in eurem Zielgebiet. Seht ihr die Bänder hier?« Er zwinkerte den beiden zu und zog an einem. Sofort klappte die Karte an einer Stelle auseinander und eine andere Karte kam zum Vorschein.
    »Toll!«, stieß Ben hervor.
    Aber Schwefelfell verzog nur das Gesicht. »Was soll das denn?«
    »Das«, Gilbert zwirbelte stolz seinen Schnurrbart, »das ist meine ureigene Erfindung. So könnt ihr euch jeden Ausschnitt der Karte noch einmal in der Vergrößerung ansehen. Praktisch, nicht wahr?« Mit zufriedener Miene klappte er die Karte wieder zusammen und zupfte sich am Ohr. »Was war noch? Ach ja. Moment.« Von seinem Schreibtisch holte Gilbert ein Tablett, auf dem sechs Fingerhüte voll farbiger Tinte standen. Daneben lag eine Vogelfeder mit angespitztem Kiel.
    »Ich werde euch noch aufschreiben, was die einzelnen Farben bedeuten«, erklärte Gilbert mit wichtiger Miene. »Das Übliche wisst ihr ja sicherlich, Grün für flaches Land, Braun für Berge, Blau für Wasser und so weiter und so weiter. Das kennt man, aber durch meine Karten erfahrt ihr noch ein bisschen mehr. Also, mit Gold zum Beispiel ...«, er tauchte die Feder in die leuchtende Farbe, »zeichne ich die Flugroute ein, die ich euch empfehle. Rot«, er strich die Feder sorgfältig am Stuhlbein ab und tauchte sie in den roten Fingerhut, »schraffiere ich die Gegenden, die ihr meiden solltet, weil die Menschen sich dort bekämpfen. Gelb bedeutet, dass mir seltsame Geschichten über diese Orte berichtet wurden, Orte, an denen das Unglück wie Schneckenschleim klebt, versteht ihr? Ja, und grau, grau heißt: Hier ist ein guter Platz um auszuruhen.« Gilbert wischte die Feder an seinem Fell ab und sah seine beiden Kunden fragend an. »Alles klar?«
    »Ja, ja«, brummte Schwefelfell. »Alles klar.«
    »Bestens!« Gilbert griff in die Jackentasche, zog ein Stempelkissen und einen winzigen Stempel hervor und knallte das Ding mit aller Kraft in die unterste Ecke der Karte. »Ja!«, sagte er, betrachtete das Stempelzeichen aus der Nähe und nickte zufrieden. »Gut zu erkennen.« Er tupfte noch mal mit dem Ärmel drauf, faltete die Karte sorgfältig zusammen und sah Schwefelfell erwartungsvoll an. »Dann kommen wir jetzt zur Bezahlung.«
    »Bezahlung?«, fragte Schwefelfell verblüfft. »Davon hat Rosa aber nichts gesagt.«
    Sofort stellte Gilbert eine Pfote auf die Karte. »Hat sie nicht? Typisch. Aber bei mir wird nun mal bezahlt. Wie, das überlass ich den Kunden.«
    »Aber ich, ich - hab nichts«, stotterte Schwefelfell. »Nur ein paar Pilze und Wurzeln.«
    »Tja, die kannst du behalten«, sagte Gilbert schnippisch. »Wenn das alles ist, wird nichts aus unserem Handel.«
    Schwefelfell kniff die Lippen zusammen und sprang auf. Gilbert Grauschwanz reichte ihr gerade bis zum Knie. »Ich hätte nicht übel Lust, dich in eine von deinen Schubladen zu sperren!«, fauchte das Koboldmädchen und beugte sich über ihn. »Seit wann lässt man sich für einen kleinen Freundschaftsdienst bezahlen? Weißt du was? Wenn ich wollte, könnte ich dir die Karte einfach unter deinem fetten Rattenhintern wegziehen, aber ich pfeif drauf. Wir kommen auch ohne sie zu diesem Hamiliya oder wie er heißt. Wir ...«
    »Moment mal«, unterbrach Ben sie. Er schob Schwefelfell zur Seite und kniete sich vor die Ratte hin. »Natürlich bezahlen wir«, sagte er. »War bestimmt scheußlich viel Arbeit die Karte zu machen.«
    »Allerdings!«, näselte Gilbert beleidigt. Seine Nase bebte und sein langer weißer Schwanz verknotete sich vor

Weitere Kostenlose Bücher