Drachenreiter
verbeugte sich vor ihr. So tief, dass er seinen Hut festhalten musste.
»Ich werde sie wecken!«, rief er. »Alle, Euer Silbrigkeit, alle. Ich mach mich gleich an die Arbeit.«
Schon hatte er wieder seinen Hammer in der Hand, kletterte den nächsten versteinerten Drachenschwanz hinauf und klopfte los, als säße ihm sein alter Meister im Nacken.
Lung und Maya nahmen den staubigen Schillerschwanz in ihre Mitte und gingen mit ihm durch den langen Tunnel nach draußen, wo er seit mehr als tausend Nächten nicht gewesen war. Die schwarzen Raben waren verschwunden. Die drei Drachen flogen im Licht der schmalen Mondsichel über das Tal und Schillerschwanz wusch sich im See den Staub von den Schuppen. Die Kröte, die Nesselbrand ihr Leben geliehen hatte, saß am Ufer und sah ihnen zu. Mit jedem Mondstrahl, der auf die Drachenschuppen fiel, verblassten ihre schwarzen Erinnerungen.
WAS NUN?
Am Mittag des darauf folgenden Tages saß Lung auf einem Felsvorsprung hoch über dem Tal und fand keinen Schlaf. Aus der großen Höhle hatte ihn das Klopfen und Hämmern von Kiesbart vertrieben. Aber selbst die Sonne, deren Licht und Wärme ihn sonst so schläfrig machte, half heute nichts. Immer wieder hob Lung den Kopf von den Tatzen, blickte auf die Gipfel ringsum und seufzte.
Nach einer Weile kam Ben zu ihm. Er kletterte die Felsen hinauf und setzte sich neben den Drachen. Besorgt sah er ihn an.
»Was ist?«, fragte er. »Warum schläfst du nicht?«
»Ich kann nicht«, antwortete Lung. »Was tun die anderen?«
»Och!« Ben zuckte die Achseln. »Nichts Besonderes. Schlafen tut keiner. Schwefelfell lässt sich von Burr-burr-tschan erklären, wie man Pilze züchtet. Maja erzählt Schillerschwanz, was passiert ist, während er geschlafen hat. Kiesbart hämmert und Fliegenbein macht einen Rundflug mit Lola.«
»Wirklich?« Lung nickte. Und seufzte wieder.
»Was willst du jetzt tun?« Ben sah den Drachen neugierig an. »Willst du gleich nach Hause zurück, jetzt, wo du das Tal hier gefunden hast?«
»Wenn ich das wüsste«, antwortete Lung und blickte nachdenklich zu den weißen Gipfeln hinauf. »Ich habe viel darüber nachgedacht in den Nächten, die ich hierher geflogen bin. Was ist, wenn ich zurückfliege und die anderen mir dann gar nicht hierher folgen wollen?«
Erstaunt sah Ben ihn an. »Wieso? Ich denk, sie müssen weg? Du hast mir doch erzählt, die Menschen wollen euer Tal überschwemmen?«
Lung nickte. »Ja, ja, aber als ich aufbrach, wollten die anderen nicht glauben, dass das wirklich geschieht. Sie wollten versuchen die Menschen zu vertreiben. So, wie die Feen es tun, weißt du? Die Feen wissen, wie sie es verhindern können, dass Menschen Straßen über ihre Feenhügel bauen.«
»Wirklich?« Ben guckte Lung ungläubig an. »Wie?«
»Sie streuen Zauberstaub auf die Motoren der Maschinen«, antwortete der Drache. »Sie zwicken und zwacken, pusten Juckpulver in Helme und Nasen und rufen so viel Regen herbei, dass Menschen und Maschinen im Schlamm versinken. Feen sind klein. Für ein paar Augenblicke können sie sich sogar unsichtbar machen. Sie sind nicht zu fassen für die Menschen. Bei uns Drachen ist das schon eine andere Sache.«
»Allerdings«, murmelte Ben und blickte bewundernd an Lungs silbernen Schuppen hinauf. Er konnte sich immer noch nicht satt sehen an dem Drachen. Es gab für ihn nichts Schöneres auf der ganzen Welt.
»Was rätst du mir?«, fragte Lung und sah den Jungen an. »Soll ich einfach hier bleiben? Oder soll ich zurückfliegen, den ganzen langen Weg, zurück zu den anderen, die gar nicht hierher wollen? Die mich für einen Narren halten?« Ratlos schüttelte Lung den Kopf. »Vielleicht glauben sie mir nicht einmal, dass ich den Saum des Himmels gefunden habe.«
Ben lehnte sich an Lungs warme Schuppen und blickte hinunter auf den See.
»Ich glaub, du musst zurück«, sagte er nach einer Weile. »Ich glaub, du würdest sonst immer darüber nachdenken, was mit ihnen passiert ist. Ob die Menschen sie getötet haben. Ob sie dir doch hierher gefolgt wären. Es wird dir dauernd im Kopf rumgehen und dich ganz verrückt machen.«
Lung schwieg. Eine ganze Weile lang. Dann nickte er langsam. »Du hast Recht, Drachenreiter«, sagte er und gab Ben einen zärtlichen Schubs mit der Nase. »Ja, du hast Recht. Ich muss zurück, so gut es mir hier auch gefällt. Am besten breche ich schon heute Nacht wieder auf.«
Er stand auf, schüttelte sich und blickte sich noch einmal um. »Ich
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