Drachenreiter
verhindern, dass diese Höhle für Hunderte von Jahren verseucht bleibt. Den widerlichen Gestank«, er hielt sich die große Nase zu, »würden wir auf diese Weise auch los.«
Lung sah den Menschen immer noch ziemlich verwundert an, aber er erfüllte ihm seinen Wunsch. Als er sein blaues Feuer auf die Überreste des Monsters hauchte, verwandelten sie sich in feinen Silberstaub, der die ganze Grotte mit seinem Glitzern erfüllte.
»Aaah!«, rief der Professor. »Sieht das nicht wunderbar aus? Das beweist doch wieder einmal: Auch aus der größten Scheußlichkeit kann durchaus etwas Schönes werden, nicht wahr?«
Lung nickte. »Was war das für ein Wesen?«, fragte er.
»Das«, Barnabas Wiesengrund setzte sich auf einen Stein und strich sich über die Stirn, »das war ein Basilisk, mein Freund. Er war ein Fabelwesen, so wie du, aber eines von der dunklen Seite.«
»Ein Basilisk?« Der Drache schüttelte den Kopf. »Ich habe nie von einem solchen Wesen gehört.«
»Zum Glück sind diese Ungeheuer sehr, sehr selten«, erklärte der Professor. »Normalerweise töten sie schon mit dem Klang ihrer Stimme oder mit einem einzigen Blick ihrer abscheulichen Augen. Jedes sterbliche Wesen an deiner Stelle wäre jetzt tot, doch einen Drachen vernichtet auch ein Basilisk nicht so leicht.«
»Aber du hast ihn vernichtet«, sagte Lung, »nur mit einem Spiegel.«
»O ja, in der Tat.« Barnabas Wiesengrund fuhr sich mit einem verlegenen Lächeln durch das struppige graue Haar. »Das war keine große Kunst, weißt du. Kein Basilisk überlebt den Anblick seines eigenen Spiegelbildes. Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt zwar noch nie Gelegenheit, das in der Wirklichkeit auszuprobieren, aber so steht es in allen Büchern. Und manchmal ist auf die eben doch Verlass.«
Der Drache blickte ihn nachdenklich an. »Ich glaube, du hast mir das Leben gerettet, nicht wahr?«, sagte er. »Wie kann ich dir dafür danken?«
»Keine Ursache!« Der Professor lächelte Lung an. »Das war mir eine Ehre. Eine außerordentliche Ehre sogar, glaub mir.« Voll Bewunderung betrachtete er den Drachen. »Ich hätte nie davon zu träumen gewagt, dass ich in meinem kurzen Menschenleben einen Drachen treffe, weißt du? Das ist ein sehr, sehr glücklicher Tag für mich.« Der Professor rieb sich gerührt die Nase.
»Du weißt sehr viel über die, die ihr Menschen Fabelwesen nennt, nicht wahr?« Neugierig beugte Lung seinen Hals zu Barnabas Wiesengrund hinunter. »Die meisten Menschen wissen nicht einmal, dass es uns gibt.«
»Ich forsche schon seit mehr als dreißig Jahren auf diesem Gebiet«, antwortete der Professor. »Ich hatte mit zehn Jahren das Glück, einer Waldfee zu begegnen, die sich in einem Obstbaumnetz in unserem Garten verfangen hatte. Seither kann mich natürlich niemand mehr davon überzeugen, dass es Feen nur in Märchen gibt. Warum, habe ich mir damals gedacht, soll es nicht auch all die anderen Wesen geben? Und so habe ich es schließlich zu meinem Beruf gemacht, sie zu suchen - all die Wesen, von denen in alten und uralten Geschichten die Rede ist. Ich habe mich mit Zwergen über seltene Steine unterhalten, mit Trollen über den Geschmack von Baumrinde, mit Feen über das ewige Leben und mit einem Feuersalamander über die Zauberei. Du bist allerdings der erste Drache, dem ich begegne. Ich war mir schon ziemlich sicher, dass deine Art ausgestorben ist.«
»Und was hat dich an diesen Ort geführt?«, fragte Lung.
»Die Suche nach dem geflügelten Pferd, dem Pegasus«, erwiderte der Professor. »Aber gefunden habe ich stattdessen diese Grotte. Um ihren Eingang herum sind Hieroglyphen in den Fels geritzt, die eindeutig vor einem Basilisken warnen. Du musst wissen, schon die alten Ägypter wussten von diesen Ungeheuern. Sie glaubten, dass sie aus einem giftigen Ibisei schlüpfen. Es gibt aber auch die Theorie, dass ein Basilisk immer dann geboren wird, wenn ein fünf Jahre alter Hahn ein Ei legt. Zum Glück kommt das nicht allzu häufig vor. Nun ja, auf jeden Fall hatte ich deshalb den Spiegel draußen versteckt. Aber ich hatte mich bisher, ehrlich gesagt, nicht in die Grotte hineingetraut.«
Lung dachte an die roten Augen des Basilisken und konnte die Angst des Professors nur zu gut verstehen.
»Du hast ihn aufgeweckt«, sagte Barnabas Wiesengrund. »Weißt du das?«
»Ich?« Lung schüttelte ungläubig den Kopf. »Das hat er auch gesagt, aber ich habe nur hier geschlafen. Wodurch soll ich ihn geweckt haben?«
»Durch deine
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