Drachenreiter
anstrengende Zeit hinter mir.«
Nesselbrand stieß ein ungeduldiges Grunzen aus. »Putz weiter!«, knurrte er den Zwerg an, der sich gerade zwischen seinen Rückenzacken zu einem Nickerchen hingehockt hatte.
»Also«, sagte Fliegenbein. »Sie haben von einem Menschen eine seltsame Geschichte erfahren. Über Drachen, die von einem Ungeheuer, das aus dem Meer auftauchte, angegriffen wurden. Wart Ihr das, Meister?«
»Ich erinnere mich nicht«, knurrte Nesselbrand und schloss für einen Augenblick die Augen. »Ich will mich nicht erinnern, verstanden, Spinnenbein? Entkommen sind sie mir damals. Entkommen, obwohl ich sie schon fast zwischen meinen Zähnen hatte. Vergiss die Geschichte. Erzähl sie mir nie wieder oder ich fresse dich doch noch wie deine elf Brüder.«
»Schon vergessen!«, sagte Fliegenbein hastig. »Vollkommen vergessen. In meinem Gedächtnis ist ein schwarzes Loch, nichts als ein schwarzes Loch, Meister. Oh, es gibt eine Menge solcher schwarzen Löcher in meinem Kopf.«
»Sei still!« Wütend schlug Nesselbrand mit der Tatze auf die zersprungenen Steinfliesen in seiner Burg. Sein Bild auf dem schimmernden Wasser wurde so gewaltig groß, dass Fliegenbein erschrocken den Kopf einzog. Die Knie schlotterten dem Homunkulus und sein Herz hüpfte wie ein fliehendes Kaninchen.
»Also«, fragte Nesselbrand mit bedrohlich leiser Stimme, »was hast du über den Saum des Himmels erfahren? Wo wollen sie ihn suchen?«
»Oh, sie wissen es nicht. Sie wollen eine Frau besuchen, die viel über Drachen weiß und an der Küste wohnt, an die ich Euch nicht erinnern darf. Allerdings, wo der Saum des Himmels ist, weiß sie auch nicht und deshalb ...«
»Deshalb waaaaaas?«, brüllte Nesselbrand.
»Deshalb wollen sie einen Dschinn fragen«, stieß Fliegenbein hervor. »Einen blauen, tausendäugigen Dschinn. Er soll die Antwort auf jede Frage kennen, aber er antwortet nur einem Menschen, also muss der Junge es wagen.«
Der Homunkulus schwieg. Zu seinem großen Erstaunen verspürte er Sorge um den Menschenjungen. Ein seltsam fremdes Gefühl war das und Fliegenbein verstand nicht, wie es ihm ins Herz gekrochen war.
»So, so!«, knurrte Nesselbrand. »Na, wunderbar. Lassen wir das Menschlein die Fragerei für uns erledigen. Wie praktisch!« Er verzog das scheußliche Maul zu einem höhnischen Grinsen. »Wann werde ich die Antwort erfahren, Spinnenbein?«
»Oh, wir werden wohl ein paar Tage unterwegs sein«, antwortete Fliegenbein zögernd. »Ein bisschen müsst Ihr Euch schon noch gedulden, Meister.«
»Aaah!«, knurrte Nesselbrand. »Geduld, Geduld! Ich habe aber keine Geduld mehr. Ich will endlich wieder auf die Jagd gehen. Ich bin diese Kühe und Schafe leid. Melde dich, sooft es geht, hörst du? Ich will genau wissen, wo dieser Drache ist. Verstanden?«
»Verstanden, Meister!«, murmelte Fliegenbein. Er strich sich das nasse Haar aus der Stirn.
Nesselbrands Bild auf dem Meer begann wieder zu verschwimmen.
»Halt!«, rief Fliegenbein. »Halt, Meister. Wie soll ich ihnen denn folgen? Der Rabe ist doch fort!«
»Ach, dir wird schon etwas einfallen«, sagte die Stimme Nesselbrands wie aus weiter Ferne, während sein Bild immer mehr verschwamm. »Du bist doch ein schlaues Kerlchen.«
Jetzt war es still. Nur das Rauschen des Meeres war zu hören. Fliegenbein sah unglücklich auf die dunklen Wellen. Dann sprang er mit einem Seufzer von dem Stein hinunter in den feuchten Sand und kletterte mühsam die Klippen wieder hinauf. Als er endlich keuchend oben ankam, sah er Lung mit Ben, Schwefelfell und dem Professor durch das trockene Flussbett auf sich zustapfen.
Schnell duckte sich der Homunkulus hinter ein Büschel Gras. Was nun? Was sollte er sagen, wenn sie ihn fragten, wo er gewesen war? Diese Schwefelfell würde ganz bestimmt fragen. Oh, warum waren sie nicht noch ein klitzekleines Weilchen in der Grotte geblieben? Da hätte er sich leise wie ein Mäuschen wieder hineinschleichen können, ohne dass irgendjemand gemerkt hätte, dass er fort gewesen war.
Kaum drei Menschenschritte von Fliegenbeins Versteck entfernt blieben die vier stehen.
»So, meine Freunde«, sagte der Professor. »Hier ist der Proviant, den ich euch versprochen habe.« Er gab Ben einen prall gefüllten Beutel. »Ich selbst hatte leider nicht mehr allzu viel, aber ich gebe zu, ich habe aus den Zelten meiner Kollegen noch etwas Dörrobst mitgehen lassen. Die Sonnencreme ist auch dabei. Du solltest sie immer benutzen, Ben. Und das hier«, er
Weitere Kostenlose Bücher