Drachenreiter
Juckpfeilen beschossen, nur weil ich auf ihren Hügel geklettert bin um Pfefferröhrlinge zu pflücken.«
Der Professor lachte leise. »Tja, ihre arabischen Verwandten benehmen sich, fürchte ich, kein bisschen besser. Also haltet euch möglichst von ihnen fern.«
»Wird gemacht.« Ben steckte sich die Karte in die Jackentasche und blickte zum sternenklaren Himmel hinauf. Von der Hitze des Tages war nichts mehr zu spüren und er fror ein bisschen. Aber es tat gut, die kühle Luft einzuatmen. »Ach, noch was, mein Junge!« Barnabas Wiesengrund gab Ben ein dickes, zerlesenes Buch. »Pack das auch gleich ein. Ist ein kleines Abschiedsgeschenk von mir. In dem Buch sind fast alle Fabelwesen beschrieben, von denen je auf dieser Welt berichtet wurde. Vielleicht nützt es dir ja auf eurer Reise.«
»Oh, vielen Dank, Professor!« Ben nahm das Buch mit verlegenem Lächeln entgegen, strich andächtig über den Einband und blätterte darin herum.
»Los, los, pack es ein«, drängte Schwefelfell. »Wir können nicht hier bleiben, bis du es gelesen hast. Sieh dir an, wie hoch der Mond schon steht.«
»Ja, ja, schon gut!« Ben nahm seinen Rucksack ab und verstaute die Karte und das Buch des Professors sorgsam zwischen seinen Sachen.
Fliegenbein richtete sich hinter seinem Grasbüschel vorsichtig auf. Die Rucksäcke! Das war es. Diese Schwefelfell würde ihn bestimmt nicht mitnehmen, auch wenn der Junge es zehnmal wollte. Aber wenn er sich einfach in Bens Rucksack versteckte ... Lautlos wie ein Schatten lief der Homunkulus los.
»Huch, was war das?«, fragte Schwefelfell und beugte sich von Lungs Rücken. »Da ist doch gerade was gehuscht! Gibt's hier Wüstenratten?«
Fliegenbein verschwand mit einem Kopfsprung zwischen Bens Sachen.
»Für dich hab ich auch noch was, Schwefelfell«, sagte Barnabas Wiesengrund und griff in seinen Korb. »Meine Frau hat sie mir zum Kochen mitgegeben, aber ich glaube, du wirst sie besser gebrauchen können als ich.« Er drückte Schwefelfell einen kleinen Beutel in die Pfote. Neugierig schnupperte sie daran.
»Getrocknete Rotfußröhrlinge!«, rief sie. »Habichtspilze, Morchelbecherlinge!« Ungläubig guckte sie Barnabas Wiesengrund an. »Die willst du mir alle schenken?«
»Sicher!« Der Professor lächelte. »Keiner weiß Pilze so sehr zu schätzen wie ein Kobold, oder?«
»Stimmt.« Schwefelfell schnupperte noch einmal an dem Beutel und lief dann damit zu ihrem Rucksack. Er lag neben dem von Ben im Sand. Fliegenbein wagte kaum zu atmen, als sie beide Rucksäcke für die Reise aneinander schnallte. Aber Schwefelfell war viel zu berauscht vom Duft ihrer Pilze, um den Homunkulus zwischen Bens Pullovern zu bemerken.
Ben sah sich nach allen Seiten um. »Tja, Fliegenbein scheint wirklich weg zu sein!«, murmelte er.
»Was für ein Glück!«, stellte Schwefelfell fest und schob den Pilzbeutel ganz tief in ihren Rucksack hinein. Allerdings nicht, ohne vorher noch zu naschen. »Er roch nach Unglück, glaub mir. Jeder Kobold hätte das sofort gespürt, aber ihr Menschen merkt ja nichts.«
Fliegenbein hätte ihr zu gern in die pelzigen Finger gebissen, aber er beherrschte sich und steckte nicht einmal die Nasenspitze aus seinem Versteck.
»Vielleicht hat dich auch nur gestört, dass er ein Homunkulus ist, Schwefelfell«, meinte Professor Wiesengrund. »Diese Geschöpfe sind selten bei Wesen beliebt, die auf natürliche Weise geboren sind. Den meisten sind sie sogar unheimlich. Ein Homunkulus fühlt sich deshalb oft sehr einsam, ausgestoßen und klammert sich an den, der ihn geschaffen hat. Dabei lebt er meist viel länger als der Mensch, der ihn gemacht hat. Viel, viel länger.«
Schwefelfell schüttelte den Kopf und klappte ihren Rucksack zu. »Homunkulus hin, Homunkulus her«, sagte sie. »Er roch nach Unglück, basta.«
»Sie ist ein Dickkopf«, flüsterte Ben dem Professor zu.
»Das hab ich auch schon gemerkt«, flüsterte Barnabas Wiesengrund zurück.
Dann trat er auf Lung zu und blickte ihm noch einmal in die goldenen Augen. »Für dich habe ich nur das hier«, sagte er und hielt dem Drachen seine offene Hand hin.
Eine goldene Schuppe lag darin, glänzend, hart und kalt wie Metall. Der Drache beugte sich neugierig darüber.
»Ich habe zwei dieser Schuppen vor vielen, vielen Jahren gefunden«, erklärte der Professor. »Im Norden der Alpen. Dort waren immer wieder Kühe und Schafe verschwunden und die Menschen erzählten sich gruselige Geschichten von einem riesigen Ungeheuer, das
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