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Drachenreiter

Titel: Drachenreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Funke
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nicht!« Ben warf sich die Rucksäcke über die Schulter und kletterte an Lungs Schwanz hinunter. »Es waren keine Inseln eingezeichnet auf der Karte.«
    Mit zusammengekniffenen Augen sah er in die Dunkelheit, wo sich ein spitzer Hügel hinter dem anderen aus dem Meer erhob.
    »Das beweist nur, was ich immer sage«, meinte Schwefelfell. »Die Karte taugt nichts.« Schnuppernd sah sie sich um. »Seltsam, es riecht nach Fisch.«
    Ben zuckte die Achseln. »Na und? Wir sind mitten auf dem Meer.«
    »Nein, nein.« Schwefelfell schüttelte den Kopf. »Ich mein, diese Insel riecht nach Fisch.«
    Lung erhob sich wieder auf die Beine und betrachtete den Grund, auf dem er stand, etwas genauer. »Seht euch das an«, sagte er. »Diese Insel ist bedeckt mit Fischschuppen. Wie ein ...« Er hob den Kopf und sah die anderen beiden an.
    »Wie ein Riesenfisch!«, flüsterte Ben.
    »Zurück auf meinen Rücken!«, rief Lung. »Schnell.«
    Im selben Moment lief ein Beben durch die Insel.
    »Renn!«, schrie Schwefelfell und stieß Ben auf den Drachen zu. Sie schlitterten über den feuchten, schuppigen Buckel. Lung streckte ihnen den Hals entgegen, und während die Insel sich immer höher aus den Wellen wölbte, zogen die zwei sich an seinen Hörnern hoch, hangelten sich an seinen Zacken zum Rücken hinauf und banden sich mit zitternden Fingern darauf fest.
    »Aber der Mond!«, schrie Ben verzweifelt. »Der Mond ist immer noch nicht wieder da. Wie willst du da fliegen, Lung?«
    Er hatte Recht. Nur ein schwarzes Loch klaffte dort am Himmel, wo der Mond stehen sollte.
    »Ich muss es versuchen!«, rief der Drache und breitete die Flügel aus. Aber sosehr er sich auch bemühte, sein Körper hob sich keinen Fingerbreit in die Luft. Ben und Schwefelfell wechselten entsetzte Blicke.
    Plötzlich schoss mit lautem Prusten ein gewaltiger Kopf vor ihnen aus dem Meer. Große Flossen wuchsen darauf wie Federschmuck. Schräg stehende Augen blitzten spöttisch unter schweren Lidern und eine gespaltene Zunge tänzelte zwischen zwei nadelspitzen Zähnen, die vorn aus dem schmalen Maul ragten.
    »Eine Seeschlange!«, schrie Ben. »Wir sind auf einer Seeschlange gelandet!«
    Die Schlange hob den endlos langen Hals aus dem Wasser, bis ihr Kopf genau über Lung schwebte. Wie angewurzelt stand der Drache auf ihrem schuppigen Buckel.
    »Nun sieh einer an!«, zischte die Schlange mit weicher, singender Stimme. »Welch seltsamer Besuch in meinem Reich des Salzes und des Wassers. Was treibt einen Feuerwurm, einen kleinen Menschen und ein struppiges Koboldmädchen hinaus aufs Meer, so weit weg von Steinen und Erde? Doch wohl nicht nur der Appetit auf ein paar glitschig glimmernde Fische?« Ihre Zunge tanzte über Lungs Kopf wie ein hungriges Tier.
    »Duckt euch!«, raunte der Drache Ben und Schwefelfell zu. »Duckt euch ganz tief hinter meine Zacken.«
    Schwefelfell gehorchte sofort, aber Ben saß mit offenem Mund da und starrte die Schlange an. Sie sah wunderschön aus, wunderwunderschön. Obwohl nur die Sterne in dieser mondlosen Nacht Licht spendeten, schimmerte jede ihrer Millionen Schuppen, als hätte sie die Farben des Regenbogens gefangen. Als die Schlange Bens Staunen bemerkte, sah sie mit spöttischem Lächeln auf ihn hinunter. Er war kaum größer als ihre zuckende Zungenspitze.
    »Zieh endlich den Kopf ein!«, zischte Schwefelfell. »Oder willst du, dass sie ihn dir abbeißt?«
    Aber Ben hörte nicht auf sie. Er spürte, wie Lung jeden Muskel anspannte, als mache er sich zum Kampf bereit.
    »Wir suchen nichts in deinem Reich, Schlange«, rief er und seine Stimme klang so wie damals, als er Ben in der alten Fabrik vor den Männern gerettet hatte. »Unser Ziel liegt jenseits des Meeres.« Ein Beben lief durch den Körper der Seeschlange. Ben hörte zu seiner Erleichterung, dass sie lachte.
    »So. Tut es das?«, zischte sie. »Nun, soviel ich über deine feurige Art weiß, brauchst du den Mond um in die Luft zu steigen, also musst du wohl bei mir bleiben, bis er sich wieder zeigt. Aber hab keine Sorge. Ich bin bloß aus Neugier hier, aus purer unersättlicher Neugier. Ich wollte sehen, warum meine Schuppen seit Sonnenuntergang jucken wie seit mehr als hundert Jahren nicht. Ein Fabelwesen zieht das andere an, du kennst doch sicherlich die Regel, oder?«
    »Sie wird langsam lästig«, antwortete Lung, aber Ben merkte, dass sich seine Muskeln langsam wieder entspannten.
    »Lästig?« Die Schlange wiegte ihren schlanken Leib hin und her. »Dieser Regel hast du

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