Drachenreiter
aufgetaucht ist!«
Erschrocken blickten die anderen ihn an.
»Deshalb bin ich hergekommen!«, rief Barnabas. »Dieses Ungeheuer kam zu mir um sich seine Schuppe zurückzuholen. Also dachte ich, er stattet als Nächstes Ben einen Besuch ab. Er greift vielleicht Lung an, weil er gerne Drachen jagt. Aber er tut es nicht. Stattdessen lässt er euch von Spionen belauschen. Er lässt dieses Dorf und Subaida beobachten. Was hat er vor?«
»Ich glaube, ich weiß es«, sagte Lung.
Er blickte den Hügel hinunter, dorthin, wo das Meer im Sonnenlicht lag. »Nesselbrand hofft, dass wir ihn zum Saum des Himmels führen. Wir sollen für ihn die Drachen finden, die ihm damals entkommen sind.«
Ben sah ihn erschrocken an.
»Natürlich!«, rief Schwefelfell. »Er weiß nicht, wo sie stecken. Damals, als er sie hier am Meer überrascht hat, sind sie ihm entwischt, weil die Seeschlange ihm dazwischengekommen ist, und seitdem hat er keine Spur von ihnen.«
Lung schüttelte den Kopf. Fragend blickte er die Menschen an. »Was soll ich tun? Wir sind unserem Ziel so nah, aber wie kann ich sicher sein, dass er uns nicht folgt? Wie kann ich sicher sein, dass sich nicht einer seiner Raben hinter mir in der Nacht verbirgt, wenn ich weiterfliege?«
Ben stand da wie betäubt.
»Stimmt«, murmelte er. »Wahrscheinlich weiß er ja sogar längst, was der Dschinn gesagt hat. Fliegenbein hat einen Raben gesehen, damals in der Schlucht. Verdammt!« Er schlug mit der Hand auf den Rücken des steinernen Drachen. »Wir sind diesem Monster wohl 'ne große Hilfe gewesen. Der hat nur auf uns gewartet. Sogar den Dschinn haben wir für ihn befragt.«
Niemand sagte etwas. Die Wiesengrunds sahen sich besorgt an. Da sagte Fliegenbein plötzlich ganz leise, so leise, dass Ben ihn kaum verstand: »Was der Dschinn gesagt hat, junger Herr, weiß Nesselbrand nicht.«
Die Worte kamen ganz von selbst aus Fliegenbeins Mund. Als wären sie es leid, immer wieder verschluckt und verschwiegen zu werden.
Alle sahen ihn an. Alle.
Schwefelfell kniff die Augen zusammen wie eine hungrige Katze. »Woher weißt du das, Winzling?«, knurrte sie mit bedrohlich ruhiger Stimme. »Woher weißt du das so genau?«
Fliegenbein sah sie nicht an. Er sah niemanden an. Sein Herz klopfte, als wollte es aus seiner schmalen Brust springen. »Weil ich sein Spion war«, antwortete er. »Ich war Nesselbrands Spion.«
FLIEGENBEIN, DER VERRÄTER
Fliegenbein kniff die Augen zu. Er wartete darauf, dass Ben ihn von seiner Schulter stieß, dass Lung ihn mit seinem Feuer in eine Wanze verwandelte - aber nichts passierte. Es wurde nur sehr still zwischen den alten Säulen. Ein heißer Wind wehte über das Land zum Meer und strich dem kleinen Homunkulus durchs Haar.
Als nichts passierte, öffnete Fliegenbein die Augen wieder und warf einen schnellen Blick zur Seite. Ben sah ihn entsetzt an, so entsetzt und enttäuscht, dass sein Blick dem Homunkulus das Herz zerschnitt.
»Du?«, stammelte Ben. »Du? Aber, aber - was ist mit den Raben?«
Fliegenbein blickte auf seine spindeldürren Beine. Sie verschwammen, weil seine Augen sich mit Tränen füllten. Sie liefen ihm die spitze Nase hinunter, tropften auf seine Hand und in seinen Schoß.
»Die Raben sind seine Augen«, schluchzte der Homunkulus, »aber seine Ohren - das bin ich. Ich bin der Spion, von dem der Professor gehört hat. Ich habe alles verraten. Dass der Professor zwei Schuppen von ihm hat, dass ihr den Saum des Himmels sucht, dass ihr den blauen Dschinn befragen wollt, nur ...« Weiter kam er nicht.
»Hab - ich - es - doch - gewusst!«, fauchte Schwefelfell. Mit einem Satz sprang sie los und griff mit scharfen Krallen nach dem Homunkulus.
»Lass ihn!«, rief Ben und stieß sie zurück.
»Was?« Schwefelfells Fell sträubte sich vor Wut. »Du beschützt ihn immer noch? Obwohl er selbst zugibt, dass er uns an dieses Monster verraten hat?« Sie knurrte, bleckte die Zähne und machte wieder einen Schritt vor. »In der Nase hab ich es gehabt, dass mit dem Winzling was nicht stimmt. Aber du und Lung, ihr wart ja ganz vernarrt in das Kerlchen. Ich sollte ihm jetzt gleich den Kopf abbeißen!«
»Gar nichts tust du, Schwefelfell!«, rief Ben und hielt schützend die Hand vor Fliegenbein. »Hör auf, die Wilde zu spielen. Du siehst doch, dass es ihm Leid tut.«
Vorsichtig nahm er Fliegenbein von seiner Schulter und setzte ihn auf seine flache Hand. Die Tränen tropften dem Homunkulus immer noch von der Nase. Ben zog ein
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