Drachenritter 01 - Die Nacht der Drachen
vor der Nachtfeuchtigkeit geschützt hatte. Nach sekundenlangem Nachdenken erkannte Jim plötzlich, daß es ein Stück Tierdarm sein mußte – wahrscheinlich vom Schwein oder Schaf –, den man sorgfältig gereinigt, getrocknet und dann zu diesem Zweck verwendet hatte.
Smrgol marschierte ganz tapfer daher, sein kranker Flügel und ein Teil seines Gewichts lasteten auf dem Teichdrachen neben ihm. Auf der anderen Seite des alten Drachen ritt Brian, und die beiden befanden sich jetzt in einer ernsten Unterhaltung.
»…Wegen dieser Sache, daß sich Drachen und Menschen zusammentun sollten«, sagte Brian. »Das klingt interessant – muß ich zugeben. Aber kaum durchführbar, was meint Ihr? Wir würden zwangsläufig auf eine ganze Menge eisenharter Vorurteile stoßen, auf beiden Seiten.«
»Irgendwann muß einmal ein Anfang gemacht werden, Georg«, sagte Smrgol. »Es gibt Zeiten, da würde sich eine Zusammenarbeit auszahlen, jetzt zum Beispiel. Nicht, daß Ihr natürlich nicht recht hättet. Ihr werdet beispielsweise bemerken, daß ich keinen einzigen Drachen aus unserer Höhle dazu bringen konnte, sich mir anzuschließen.«
»Ach ja«, sagte Brian und nickte.
»Nicht, daß sie furchtsam wären, versteht mich recht, Georg. Das glaube ich keine Minute lang. Aber wenn man ein paar hundert Jahre lebt – das heißt, wenn man Glück hat –, dann hat man keine Lust, bei der erstbesten Gelegenheit alles zu riskieren. Ich entschuldige sie nicht, Ihr versteht mich schon richtig; nur, so sind wir nun einmal. Fahrendes Rittertum mag für Euch, George, einen Sinn ergeben. Fahrendes Drachentum würde für uns überhaupt keinen Sinn ergeben.«
»Aber wo seht Ihr dann eine Hoffnung?«
»Die Hoffnung liegt bei uns – Euch und mir, Georg – und natürlich bei Gorbash, dem Zauberer, dem jungen Secoh hier neben mir, diesem Bogenschützen und diesem weiblichen Georg, den er bei sich hat, dem Wolf und so weiter. Wenn wir das hier schaffen – das heißt, wenn wir die Dunklen Mächte überwinden und einen Sieg erringen –, dann gibt das eine Geschichte, die man sich während der nächsten fünfhundert Jahre erzählen wird. Also, ich weiß ja nicht, wie das bei euch Georgen ist, aber wir Drachen lieben Geschichten. Wißt Ihr, das tun wir monatelang in unseren Höhlen, wir liegen herum und erzählen uns gegenseitig Geschichten.«
»Monatelang? Wirklich?« sagte Brian. »Das kann ich mir kaum vorstellen – monatelang?«
»Monatelang, Georg! Gebt einem Drachen ein paar Goldstücke und Juwelen zum Spielen, ein gutes Faß Wein zum Trinken und eine gute Geschichte zum Zuhören – und er ist glücklich. Ach, wenn ich zählen könnte, wie oft ich die Geschichte zum besten gegeben habe, wie ich den Unhold von Gormely Keep erschlug, vor all den Jahren – ach, die jüngeren Drachen seufzen und jammern natürlich alle, wenn ich es erwähne; aber sie rollen sich zusammen, füllen ihre Krüge und hören dann doch zu, auch wenn sie es schon x-mal von mir gehört haben.«
»Hmm«, murmelte Brian. »Jetzt, wo ich darüber nachdenke, auch wir Menschen sitzen ganz gerne herum und hören alten Geschichten zu. Besonders im Winter, wißt Ihr, wenn man nur schwer hinaus kann und es auch dann nicht viel zu tun gäbe, wenn man es könnte. Beim heiligen Denis, ich habe mich an einigen dieser alten Geschichten richtig festgebissen – sie waren einer der Gründe, warum ich unbedingt ein Ritter werden wollte.«
»Genau«, sagte Smrgol. »Genauso ist es bei uns Drachen! Jeder Drache, der die Geschichte hört, wie wir hier beim Turm die Dunklen Mächte besiegen, wird selbst Lust bekommen auszuziehen und sich mit einigen Georgen und vielleicht einem Wolf oder sonstwem zusammenzutun und ein ähnliches Abenteuer zu bestehen. Von dort aus ist es nur noch ein Schritt bis zur Zusammenarbeit …«
»Sagt mir eines«, sagte Jim zu Carolinus und verließ die Unterhaltung zwischen Ritter und Drache, um sich dem Zauberer anzuschließen und einen halben Schritt hinter ihm zu gehen. »Welchen Preis muß man für den Zauber bezahlen, den Ihr gestern angewandt habt, um die Finsternis zu vertreiben?«
»Das ist schon bezahlt«, erwiderte Carolinus. »Der erste, der einen Zauber heraufbeschwört, trägt die Kosten. Der Gegenzauber gleicht nur die Buchhaltung aus. Anders ist es mit…«
Er hob den Stab und schüttelte ihn vor Jims Augen leicht in der Luft.
»Ich mußte lange warten, um den zu bekommen«, erklärte er.
»Und ich mußte den Kredit eines ganzen Lebens
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