Drachenritter 01 - Die Nacht der Drachen
Seine Stimme war weich und melodisch; und er hatte völlig zutreffend über seine Fähigkeiten als Bogenschütze – oder auf jedem anderen Gebiet – geurteilt. Er war alles andere, nur nicht gewöhnlich.
Jim beobachtete die beiden und kam aus dem Staunen über Danielles Haltung nicht heraus. Wie, fragte er sich, konnte sie jemanden wie ihn – das hieß, wenn Aragh die Wahrheit sagte – diesem mittelalterlichen Supermann vorziehen? Für den Augenblick hatte er völlig vergessen, daß er ja in einem Drachenkörper und nicht in seiner normalen menschlichen Gestalt steckte.
»Ihr wißt schon, wie ich es meine!« sagte Danielle. »Jedenfalls habe ich für mein ganzes Leben genug von Bogenschützen. Außerdem, warum sollte mir an Euch etwas liegen, Bogenschütze oder nicht?«
»Weil ich Euch schön finde, Fräulein«, antwortete Dafydd mit entwaffnender Sicherheit, »und weil ich mich an nichts in meinem Leben erinnern kann, das ich schön gefunden und nicht hätte haben wollen; und sobald ich etwas haben wollte, habe ich nie aufgehört, darum zu kämpfen, bis ich es bekam.«
»So ist das also? Aber ich bin keine Trophäe für Euer Wehrgehenk, Herr Bogenschütze! Zufällig werde ich selbst bestimmen, wer mich bekommt.«
»Das sollt Ihr auch wirklich. Aber sonst niemand, solange ich lebe – und das wißt Ihr jetzt, nachdem ich es Euch gesagt habe.«
»Hmph!« Danielle warf nicht wirklich den Kopf, aber Jim hatte stark das Gefühl, daß sie es für zwei Cents oder das mittelalterliche Gegenstück davon getan hätte. »Wenn ich heirate, werde ich einen Prinzen heiraten. Was könnt Ihr schon gegen einen Prinzen machen?«
»Gegen Prinzen, Könige, Kaiser, Gott oder Teufel – das gleiche, was ich mit jedem Menschen oder jedem Tier machen würde, die sich zwischen mich und die Dame stellen, die ich begehre. Der eine oder der andere von uns würde dabei zugrundegehen; und wahrscheinlich würde nicht ich derjenige sein.«
»Oh, natürlich nicht!« höhnte Danielle.
Sie drehte sich um und ließ Dafydd stehen. Jim erkannte plötzlich, daß sie gerade auf ihn zukam und ihn im nächsten Augenblick entdecken mußte. Er konnte kaum etwas anderes tun als vorgeben, er sei gerade erst gekommen. Er machte einen Schritt vorwärts, aus den Bäumen heraus.
»Hier seid Ihr, Sir James!« rief Danielle glücklich. »Habt Ihr gut geschlafen? Wie geht es Euren Wunden?«
»Wunden?« wiederholte Jim. Als sie ihn gestern gesäubert hatte, war es ihr gar nicht in den Sinn gekommen, seine Schrammen mit der Bezeichung ›Wunden‹ zu würdigen. »Oh, gut! Ja, ich habe geschlafen wie ein Stein!«
»Lieber Sir James«, sagte sie, als sie ihn erreichte. »Ich habe schon gewartet, daß Ihr aufwacht, damit wir noch ein wenig miteinander reden können. Da sind noch ein paar Dinge, die ich wissen wollte, erinnert Ihr Euch? Wollen wir einen Spaziergang machen, nur wir beide allein?«
»Nun … sicher«, sagte Jim. Er war mit der festen Absicht in den Wald gekommen, Danielle alle dummen Ideen, die sie in bezug auf ihn haben mochte, auszureden. Aber als er ihr jetzt gegenüberstand, fühlte er, wie sein Selbstvertrauen schwand. »Oh, guten Morgen, Dafydd.«
»Guten Morgen, Sir James«, sagte der Bogenschütze freundlich.
Danielle hatte Jim schon bei der Vorderpfote genommen und führte ihn in den Wald hinein, schräg ab von dem Weg, auf dem er gekommen war.
»Ich werde später mit Euch sprechen«, rief Jim Dafydd über die Schulter zu.
»Ja, wirklich, das werden wir, Sir James.«
Einen Augenblick später war die Lichtung nicht mehr zu sehen. Danielle ging ein Stück weit durch die Bäume voran, verlangsamte aber schon bald ihren Schritt.
»Könnt Ihr Euch inzwischen an etwas erinnern?« fragte sie ihn.
»Erinnern?« wiederholte Jim.
»Daran, wer Ihr wart, außer Baron von Riveroak.«
»Nun, wer könnte ich schon gewesen sein?« sagte Jim. »Ich meine, schon Baron allein …«
»Kommt, Sir James«, sagte Danielle ungeduldig. »Ein Gentleman ist nicht nur, was sein Titel bedeutet. Außerdem kann er viele verschiedene Titel haben! Ist unser Herzog nicht auch Graf von Piers, Verwalter der East Marshes und eine Menge anderer Dinge? Und was unseren König von England angeht, ist er nicht auch König von Aquitanien, Herzog von Britannien, Herzog von Caraballa, Prinz von Tours, ein Kirchenfürst, Prinz der beiden Sizilien, Graf von hier, Graf von dort, und noch eine halbe Stunde lang so weiter? Baron von Riveroak ist wahrscheinlich der
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