Drachenritter 02 - Der Drachenritter
kämpfen würdet.«
Er ließ den anderen einen Moment Zeit, die Neuigkeit zu verdauen.
»Sollte eine Seite gewinnen«, sagte er bedächtig und mit Nachdruck, »wohlgemerkt, irgendeine Seite – dann käme es zu einem blutigen, langwierigen Krieg, der Frankreich auseinanderreißen und Malvinne mit immer größerer weltlicher Macht ausstatten würde; bis irgendwann er anstelle von König Jean regiert und mit seinen Streitkräften und seiner Magie die Engländer ein für allemal aus dem Lande wirft.«
Er blickte Sir Raoul an.
»Raoul«, sagte er, »Ihr mögt die Vertreibung der Engländer ungeachtet des Preises, der dafür zu entrichten ist, begrüßen. Aber laßt Euch gesagt sein, daß dies weder der passende Zeitpunkt noch die angemessene Methode ist. Außerdem würdet Ihr Frankreich unter Malvinne nicht mehr wiedererkennen; es wäre ein eiterndes Geschwür im Antlitz Europas, von dem alle möglichen Übel ausgehen würden, denn es würde versuchen, sich nicht nur die angrenzenden Länder zu unterwerfen, sondern letztlich auch England und die ganze Welt. Je länger dieser Zustand anhielte, desto mächtiger würde es, bis niemand es mehr aufhalten könnte.«
»Das braucht Ihr mir nicht zu sagen«, meinte Sir Raoul. »Ich weiß sehr wohl, daß aus dem, was Malvinne tut, nichts Gutes erwachsen kann. Aber wie sollen wir das verhindern?«
»Es gibt nur eine Hoffnung«, sagte Carolinus. Er blickte wieder zu Jim. »Und es ist mir versagt, Euch zu raten, wie Ihr dabei vorgehen sollt, James. Irgendwie müßt Ihr das Schlachtfeld rechtzeitig erreichen, den Krieg beenden, bevor eine Seite gewonnen hat, den falschen Prinzen demaskieren und den wahren Edward seinen Platz einnehmen lassen. Es ist jetzt früher Morgen, und obgleich Ihr die ganze Nacht auf den Beinen wart, rate ich Euch dennoch, unverzüglich aufzubrechen. Ich habe Raoul bereits mitgeteilt, wo die beiden Armeen aufeinandertreffen werden, nämlich gar nicht weit von der Stelle, wo die Schlacht von Poitiers stattgefunden hat – als die Engländer vom Vormarsch der Franzosen erfuhren, haben sie sich nach Süden gewandt, um eine günstigere Verteidigungsposition einzunehmen.«
Auf einmal wurde Jim bewußt, daß es tatsächlich schon hell wurde. Er mochte es kaum glauben, daß die Nacht mit ihrer Flucht aus der Burg und Carolinus kleiner Ansprache so schnell vorbeigegangen war; doch im Osten dämmerte bereits der neue Tag, und die letzten Flammen des Lagerfeuers, das in sich zusammengesunken war, bis fast nur noch Glut übriggeblieben war, verblaßten allmählich.
»Ich habe Pferde für uns alle«, sagte Raoul.
»Wir haben in unserem Lager eigene Pferde samt Ausrüstung«, meinte Brian. »Bis dorthin kann es nicht mehr weit sein.«
»So ist es«, sagte Bernard. »Ich werde sie schnell holen.«
»Nur die Ausrüstung, Bernard«, befahl Raoul. Er lächelte sarkastisch. »Es wäre doch seltsam, wenn Euch ein französischer Ritter in Frankreich nicht bessere Tiere verschaffen könnte. Und das habe ich getan.«
31
›Pferde für uns alle‹ – das bedeutete Pferde für die Menschen, und zwar wirklich gute Tiere, versehen mit Sätteln, Zaumzeug und aller notwendigen Ausrüstung. Allerdings waren sie natürlich nur für die Menschen. Secoh und Aragh blieb nichts anderes übrig, als sich aus eigener Kraft fortzubewegen.
Für Secoh, der schließlich fliegen konnte, stellte das kein Problem dar. Was Aragh betraf, so hielt er mit den Pferden ohne große Mühe mit, wobei es ihm eine boshafte Freude bereitete, daß sie scheuten, wenn er ihnen nahe kam. Tatsächlich trieb er es so schlimm mit den Pferden, daß Jim ihn bitten mußte, damit aufzuhören.
Aragh tat erst gar nicht so, als wüßte er nicht, wovon Jim redete.
»Ich muß zugeben, das macht wirklich Spaß«, sagte Aragh. »Unter den gegebenen Umständen und angesichts der vor uns liegenden Aufgabe werde ich tun, was Ihr von mir verlangt, James, und mich ein wenig abseits halten. Das heißt, solange uns der Weg nicht zum Zusammenrücken zwingt – aber macht mir bloß keine Vorwürfe, wenn diese großen, vierbeinigen Klappergäule dann scheuen, weil ich ihnen zu nahe komme.«
»In diesem Fall«, sagte Jim, »seid Ihr entschuldigt.«
Secoh vermochte zu Fuß bequem mit ihnen Schritt zu halten. Einem Drachen bereitete es zwar einige Mühe, auf den Hinterbeinen zu gehen, doch war er immer noch so schnell wie ein im Schritt gehendes Pferd. Allerdings legte Raoul ein flotteres Tempo vor, wenn ein freies
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