Drachenritter 02 - Der Drachenritter
ungewöhnlich, daß ein Gemeiner Knappe wurde, wenngleich er schon außerordentliche Heldentaten vollbringen mußte, um schließlich auch Ritter zu werden.
Brian erklärte ihm, daß es kaum etwas ausmachen würde, sollte einmal bekannt werden, daß Jims Knappe ein ehemaliger Gemeiner war; höchstens würde Jim etwas weniger Respekt genießen, als wenn der Sohn eines Edelmannes dieses Amt bekleidet hätte.
Die ersten beiden Wochen verliefen in etwa erwartungsgemäß. In der letzten Woche sorgten zwei Besucher für Abwechslung, von denen jeder Jim eine Nachricht von besonderer Wichtigkeit überbrachte.
Der erste Besucher war Secoh, der Sumpfdrache. Er gehörte zu dem unglücklichen Zweig einheimischer Drachen, die unter den Dunklen Mächten zu leiden gehabt hatten, die sich im Verhaßten Turm niedergelassen hatten. Dies war der Turm an dem Küstenabschnitt, an den der abtrünnige Drache Bryagh Angie verschleppt hatte, als diese zusammen mit Jim in dieser Welt aufgetaucht war.
Wie Drachen nun einmal sind, war Secohs Stamm infolge der Ereignisse klein, schwach und furchtsam geworden, und Secoh bildete keine Ausnahme. Allerdings hatte er sich gewandelt, als der alte Smrgol, der Großonkel von Gorbash, dessen Körper Jim unabsichtlich übernommen hatte, ihn dadurch beschämt hatte, daß er für sich eingestanden war, wie ein Drache es tun sollte – sei er nun ein Sumpfdrache oder nicht.
Nachdem der alte Smrgol von einem Hieb verkrüppelt worden war, hatte Secoh ihm schließlich geholfen, den mächtigen, bösen Drachen Bryagh in der Entscheidungsschlacht am Verhaßten Turm zu töten. Jim hatte währenddessen im Drachenkörper von Gorbash gekämpft und einen Oger zur Strecke gebracht, Sir Brian hatte einen Wurm getötet, Dafydds Pfeile hatten jede einzelne Harpyie erledigt, die sich vom Turm auf sie niederstürzte, Aragh hatte die Sandmerker abgewehrt, und Carolinus hatte die Emanationen der Dunklen Mächte in Schach gehalten.
Und so war Secoh schließlich zu Jims Gefährten gestoßen und hatte mitgeholfen, Angie aus der Gewalt der Dunklen Mächte zu befreien.
Von da an war Secoh ein anderer Drache gewesen. Er zögerte nicht mehr, andere Drachen ungeachtet ihrer Größe herauszufordern. Diese gingen ihm für gewöhnlich aus dem Weg. Zwar waren ihm die meisten in körperlicher Hinsicht überlegen, doch ein Sieg hätte die Gewißheit nicht aufgewogen, im Verlauf der Auseinandersetzung von einem Sumpfdrachen, dem die Worte ›Aufgabe‹ oder ›Rückzug‹ unbekannt waren, übel zugerichtet zu werden.
Secoh landete eines Nachmittags auf dem Hof, kam, ohne vorher jemanden zu fragen, auf den Hinterbeinen in den Saal gestapft und hielt Ausschau nach Jim. Wenngleich eher klein für einen Drachen, mußte er gleichwohl den Kopf einziehen, als er durch die große Eingangstür trat; die Anwesenden rannten daraufhin verständlicherweise zu den Ausgängen.
Enttäuscht darüber, daß Jim nirgends zu sehen war und daß alle anderen vor ihm wegliefen, hob Secoh lediglich die Stimme. Diese war zwar leise für einen Drachen, nach menschlichen Maßstäben allerdings dazu geeignet, dem Nebelhorn eines mittelgroßen Schiffes Schande zu bereiten.
»Sir James!« brüllte Secoh. »Vielmehr Lord James! Wo steckt Ihr? Ich bin's, Secoh. Ich muß mit Euch reden!«
Im Vertrauen darauf, sein Anliegen mehr oder weniger kundgetan zu haben, stapfte Secoh zur hohen Tafel, wo er einen noch zur Hälfte mit Wein gefüllten Krug erschnupperte. Diesen packte er und schüttete sich den Inhalt schmatzend die Kehle hinunter. Für einen Sumpfdrachen war Wein ein außergewöhnlicher Luxus. Jim war immer noch nicht aufgetaucht, daher schnüffelte Secoh bedauernd am leeren Krug, stellte ihn wieder auf den Tisch, rollte sich dahinter zusammen, wobei er das Kinn auf die Tischplatte legte, damit er nach seinem Gastgeber Ausschau halten konnte, und versank in dem angenehmen Halbschlaf, wie er Drachen überkommt, wenn sie nichts Besseres vorhaben.
Es dauerte etwa fünf Minuten, bis Jim und Sir Brian, die man eilends vom Übungsgelände herbeigerufen hatte, wo die neuen Rekruten ausgebildet wurden, gefolgt von einem Dutzend ihrer erfahrenen Bewaffneten in den Palas gelaufen kamen.
Secoh setzte sich unvermittelt hinter der hohen Tafel auf.
»Mylord!« dröhnte er – dann fiel ihm ein, daß Jim im Körper eines Menschen über ein empfindlicheres Gehör verfügte. Er mäßigte seine Stimme, bis nur noch ein dumpfes Grollen zu vernehmen war. »Ich komme in einer
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