Drachenritter 03 - Der Drache an der Grenze
Stunden gebraucht, um die Stelle zu erreichen, wo sie dem kostbar gewandeten Clanchef aufgelauert hatten. Alan hielt sich an seine Anweisungen und ritt im Schrittempo, was bedeutete, daß alle anderen sich seinem Tempo anpassen mußten, und für den Rückweg noch länger brauchten.
Es ging bereits auf den Abend zu, und die Bäume, die an dieser Stelle des Weges weniger dicht standen, warfen lange Schatten in Richtung der noch immer verborgenen Meeresküste, als Jim den Eindruck gewann, er sollte sich allmählich von Herrac und seinen Söhnen trennen. Da er Lachlan allmählich reinen Wein einschenken mußte, beschloß er, die Sache schnell hinter sich zu bringen.
»Lachlan«, sagte er, »ich glaube, wir sollten den Gefangenen absitzen lassen und an einen Baum binden, um ungestört ein paar Worte miteinander reden zu können.«
Lachlan lächelte MacDougall boshaft an und zwinkerte ihm zu. Das Zwinkern sollte wohl seine Bereitschaft signalisieren, MacDougall mit dem Dolch alle möglichen Qualen zuzufügen. Soweit Jim erkennen konnte, reichte diese wortlose Drohung aus, ihren Gefangenen in Angst und Schrecken zu versetzen.
Bislang hatte MacDougall kein einziges Wort gesagt. Er schwieg auch dann noch, als sie vom Weg abbogen und bei einer Eiche absaßen.
Lachlan übernahm es selbst, MacDougall die Hände hinter dem Baumstamm festzubinden. Obwohl MacDougall mit keiner Miene zuckte, war Jim klar, daß Lachlan die Lederriemen übermäßig fest angezogen hatte. Dennoch verkniff er sich eine Bemerkung.
»So, das hätten wir«, sagte Lachlan, trat zurück und begutachtete sein Werk. »Das sollte Euch für ein Weilchen beschäftigen, Ewen.«
»Früher«, meinte MacDougall gedehnt, »habt Ihr doch eigentlich ganz passabel englisch gesprochen. Wie kommt es, daß Ihr diese Fähigkeit anscheinend verloren habt?«
»Ach was«, entgegnete Lachlan. »Da irrt Ihr Euch aber. So rede ich immer. Ich bin durch und durch Schotte. Während Ihr im Innern halb Franzmann und halb Engländer seid.«
MacDougall erwiderte darauf nichts, und Jim führte Lachlan in den Wald, bis sie außer Hörweite des Gefangenen waren, ihn aber immer noch sehen konnten. Die drei Pferde hatten sie mitgenommen, damit sie MacDougall für den Fall, daß er sich befreien sollte, jederzeit einholen konnten.
»Nun gut«, sagte Lachlan ohne eine Spur von schottischem Akzent, »was habt Ihr vor?«
»Das werde ich Euch sagen«, antwortete Jim. »Ich glaube, wir sind weit genug geritten.«
»Weit genug?« echote Lachlan verdutzt. »Was meint Ihr damit?«
»Wir wollen doch nicht, daß er die Burg de Mer und Sir Herrac und dessen Familie erkennt, nicht wahr?« fragte Jim.
»Auf gar keinen Fall!« erwiderte Lachlan. »Aber wenn es bloß darum geht, wäre es wohl am einfachsten, wenn wir ihm die Kehle durchschneiden. Ich dachte, Ihr hättet einen besonderen Grund, ihn mitzuschleppen.«
»Das habe ich auch«, sagte Jim. »Erinnert Ihr Euch noch? Ich will mich auf magische Weise in seinen Doppelgänger verwandeln.«
»Und was hält Euch davon ab?« explodierte Lachlan. »Dann bringt es eben hinter Euch!«
»Ich fürchte, so leicht ist das nicht«, meinte Jim. Allmählich wurde ihm unbehaglich zumute. Sollte es zu Handgreiflichkeiten kommen, war er mindestens fünf Zentimeter größer und zehn bis fünfzehn Pfund schwerer als Lachlan. Trotzdem war er keineswegs überzeugt davon, es mit ihm aufnehmen zu können. Lachlan hatte außergewöhnlich breite Schultern, und im Umgang mit den Waffen, die er bei sich führte, war er Jim zweifellos überlegen. In dieser Situation galt es behutsam vorzugehen.
»Ihr müßt verstehen«, sagte Jim, »daß es mit Ähnlichkeit allein nicht getan ist. Für den Fall, daß ihm die Hohlmenschen schon einmal begegnet sind, muß ich mir seine Ausdrucksweise und Gestik aneignen und mir einprägen, wie er sich bewegt.«
»Was würde es schon schaden, wenn Ihr Euch ein wenig anders bewegt und anders redet als er?« fragte Lachlan. »Wenn Ihr ausseht wie er, dann seid Ihr auch MacDougall. Weshalb sollten sie daran zweifeln?«
»Ich glaube, Ihr unterschätzt die Hohlmenschen«, sagte Jim.
»Das tue ich nicht!« blaffte Lachlan.
»Mit Verlaub«, sagte Jim, »aber ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Da ich jedoch ein Magier bin, verstehe ich so manche Dinge, die gewöhnlichen Sterblichen verschlossen sind. Die Hohlmenschen sind ebenfalls keine gewöhnlichen Sterblichen. In Wirklichkeit sind sie Gespenster. Es mag schon sein, daß Ihr nichts
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