Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
einen Augenblick später steckte er in seiner Drachenhaut. Secoh, der vorher so groß neben ihm gewirkt hatte, sah jetzt klein und unbedeutend aus.
Aber ungeachtet dieser Bedeutungslosigkeit brauchte er Secoh.
»Secoh«, sagte er mit leiser Stimme. »Ich brauche Eure Hilfe.«
»Jawohl, Mylord - und Drachenritter«, stammelte Secoh.
»Ihr erinnert Euch an den Kampf am Verhaßten Turm?«
»O ja, Mylord.«
»Erinnert Ihr Euch daran, daß Smrgol mir einen Rat gegeben hat, wie man am besten gegen einen Oger kämpft?«
»Ich erinnere mich ...« Secoh zögerte. »Da war etwas, das Smrgol Euch sagte, weil er selbst einmal gegen einen Oger gekämpft hatte. Etwas über deren Arme, deren Ellbogen - glaube ich.«
»Das stimmt«, sagte Jim. »Also, die einzige Person, die mir erzählen könnte, wie man gegen eine Seeschlange kämpfen muß, wäre Gleingul, Smrgols Urahn, der an einem Ort namens Grauer Sand ganz allein eine Schlange erschlagen hat. Jetzt erzählt mir nicht, daß es keine Geschichte über diesen Kampf gibt, die in Drachenkreisen wieder und wieder erzählt wird. Und erzählt mir nicht, Ihr könntet Sie nicht auswendig.«
»O doch, Mylord Drachenritter«, sagte Secoh eifrig. »Es gibt eine solche Geschichte - und was für eine Geschichte das ist!«
»Gut«, sagte Jim. »Und nun schnell - was wißt Ihr noch von dieser Geschichte, das mir bei meinem Kampf gegen Essessili von Nutzen sein könnte?«
Secoh setzte sich auf die Plattform, und ein geistesabwesender, beinahe träumerischer Ausdruck trat in seine Augen.
»Inzwischen hat sich mehr als hundert Mal die Sonne gewendet«, begann er. »Es war zu der Zeit, da Agtval bereits ein sehr alter Drache war. Damals verließ er nicht mehr seine Höhle, um die gewaltigen Dinge zu tun, die er früher getan hatte ...«
»Nein!« rief Jim. Secoh verstummte augenblicklich.
»Ich möchte nicht die ganze Geschichte hören«, sagte Jim. Er wußte nur allzu gut, daß die Drachen dazu neigten, eine Geschichte tief in der Vergangenheit zu beginnen und alles, was des Erzählens wert war, so lange wie nur möglich hinzuziehen. »Ich möchte, daß Ihr nachdenkt. Ich möchte, daß Ihr mir erzählt, was Ihr noch von dieser Geschichte wißt und was mir bei meinem Kampf gegen Essessili helfen könnte. In Kürze, wie hat Gleingul es gemacht? Wie hat er die Schlange angegriffen? Was hat er der Seeschlange angetan, daß er in der Lage war, den Kampf für sich zu entscheiden? Wie hat er die Schlange zu guter Letzt getötet?«
Secoh machte ein enttäuschtes Gesicht, schluckte jedoch und dachte einen langen Augenblick angestrengt nach.
»Nun, Mylord«, meinte er schließlich langsam, »da war diese Sache mit den Flügeln, die Gleingul erwähnt hat. Man solle seine Flügel benutzen. Er sagte, das sei sehr wichtig. Die Flügel würden die Sache entscheiden. Oh, ich meinte nicht, zum Fliegen benutzen, Mylord...«
»Was meintet Ihr denn dann?« drang Jim in ihn.
»Ich meine, zum Schlagen benutzen, Mylord! Ihr wißt natürlich«, fuhr Secoh fort, »über unsere Flügel Bescheid, wie stark sie sind. Wie könnten wir uns sonst so schnell in die Lüfte erheben? Alles, was fliegt, hat starke Flügel. Es heißt, eine Gans könne einen Georg umwerfen, einen ausgewachsenen Georg, wenn die Gans den Georg nur richtig mit ihren Flügeln trifft. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wozu wir imstande sind. Benutzt Eure Flügel, das hat Gleingul uns geraten, falls wir jemals gegen Schlangen kämpfen sollten.«
»Ich verstehe«, sagte Jim.
Und er verstand wirklich. Bei seinem allerersten Flugversuch als Drache hatte er die Augen geschlossen und wild mit den Flügeln geschlagen, aus Angst, von den Felsen zu stürzen, von denen aus er sich emporgeschwungen hatte. Als er die Augen wieder öffnete, war er bereits hoch oben gewesen, viel höher, als er erwartet hatte.
Es war seine erste Erfahrung mit der gewaltigen Muskelkraft gewesen, die die großen, langen Drachenflügel bewegte. Diese Flügel mochten nicht schön sein -in der Tat hatten sie große Ähnlichkeit mit Fledermausflügeln -, aber er wußte um ihre Kraft.
Jetzt, da er sich die Mühe machte, darüber nachzudenken, konnte er die schweren Muskelbänder spüren, die quer über sein Brustbein liefen. Ja, die Flügel ließen sich mit schweren Keulen vergleichen - selbst wenn ihr Ziel eine Seeschlange war.
»Gut«, sagte er eilig. »Was könnt Ihr mir sonst noch erzählen? Denkt nach!«
Secoh blinzelte angestrengt die Plattform zwischen seinen
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