Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
Herren einen Becher anzubieten?«
Der Diener setzte sich hastig in Bewegung, riß einen der leeren Becher von seinem Gürtel, füllte ihn und hielt ihn Jim hin, »Tut mir sehr leid, Mylord.«
Jim war zu langsam, um ihn aufzuhalten. Schweigend nahm er den randvollen Becher Wein entgegen, dessen bloßer Anblick und Geruch ihm den Magen umzudrehen drohten - als ihm auffiel, daß die beiden anderen Ritter ihn scharf beobachteten.
So benebelt er auch war, wurde ihm plötzlich klar, daß dies wieder so ein kleiner Test war, dem einen die Angehörigen des Standes, in dem er gelandet war, nur allzugern unterzogen.
Sie wußten, in welchem Zustand er am Vorabend zu Bett gegangen war. Sie mußten eine sehr gute Vorstellung davon haben, wie er sich im Augenblick fühlte, und vor allem, wie er sich bei dem Gedanken an einen weiteren Becher Wein fühlte. Ihre Neugier hatte nichts Unfreundliches, war aber Teil des allgemeinen Kodex, zu dem auch die Turniere und die anderen rauhen Sportarten der Epoche zählten - eine Art allgemeiner Prüfung, die ständig im Gange und in der ein jeder sowohl Prüfer als auch Prüfling war. Es war, als wolle jeder sichergehen können, daß die Standesgenossen in seiner Umgebung immer noch über die ganze Kraft verfügten, die man ihnen ursprünglich zugeschrieben hatte. Was auch geschah, er würde diesen Becher Wein trinken müssen.
Er könnte mogeln, indem er den Wein entfernte, während er so tat, als würde er schlucken; aber irgendwie schämte er sich dessen.
Er wagte es nicht, die Augen zu schließen. Er setzte den Becher an die Lippen und begann einfach zu schlucken. Einen Augenblick lang zauderte sein Magen am Rand einer Revolte, aber wieder schien ihn wie zuvor bei dem Dünnbier die Tatsache zu retten, daß er Flüssigkeit in seinen ausgetrockneten Körper goß. Er leerte den Becher bis auf den letzten Schluck und gab ihn dem Küchendiener zurück, der ihn prompt wieder bis an den Rand auffüllte und ihm zurückreichte.
Diesmal hatte Jim das Gefühl, den Test hinreichend bestanden zu haben. Er nahm ein oder zwei Schluck von dem zweiten Becher, die herunterzubekommen ihm nun gar nicht mehr schwerfiel, und zwang sich, Giles und Sir John anzulächeln - die zurücklächelten.
»Also dieses Tier hier«, sagte Sir John und drehte sich wieder zu Gorp um. »Ist es ausgebildet?«
Jim verspürte einen starken Anflug von Verlegenheit. Gorp war ungefähr so unausgebildet wie nur je ein Pferd sein konnte, das in eine Schlacht geführt wurde. Aber Jims Verstand schien durch den schnellen Genuß des knappen Liters Wein zusätzlich zu dem Dünnbier, das so gut wie gar keinen Alkohol enthielt, unerwartet geschärft worden zu sein.
Er trat ein halbes Dutzend Schritte zurück und wandte sich an den Stallburschen, der Gorps Halfter hielt.
»Womar!« sagte er zu dem Mann. »Laß ihn los.«
Der Stallbursche ließ das Halfterseil fallen und Jim pfiff.
Gorp sah sich mit gelinder Überraschung um. Er entdeckte Jim, drehte sich gemächlich um und kam angetrabt, um den Kopf zu senken und an Jims Brust nach der Belohnung zu schnuppern, mit der sein Gehorsam für gewöhnlich belohnt wurde. In diesem Moment hatte Jim jedoch nichts für ihn. Zucker war unbekannt, daher fiel der Zuckerwürfel flach, mit dem er ein Pferd im zwanzigsten Jahrhundert belohnt hätte. Die Frühlingsmöhren waren noch nicht gewachsen und die vom letzten Jahr lange verzehrt, und mit dem Hafer vom letzten Jahr sah es nicht besser aus.
Jim streichelte und hätschelte das Pferd ein wenig, sprach auf es ein und versuchte, den Mangel eines Geschenks wiedergutzumachen. Dann trat er zurück und gab ihm einen anderen Befehl.
»Hoch, Gorp!« rief er. »Hoch, Junge!«
Gorp machte sein einziges anderes Kunststück - das darin bestand, sich auf die Hinterbeine aufzubäumen und mit den Vorderhufen gefährlich nah vor seinem Gesicht in der Luft herumzufuchteln. Es war eine falsche, aber gute Imitation eines Schiachtrosses, das gemeinsam mit seinem Reiter kämpfte. Dann ließ das Pferd sich wieder auf alle viere herunter.
»So. Sehr brav, Gorp. Braves Pferd«, sagte Jim.
Nach ein paar weiteren Streicheleinheiten nahm er das Halfter und führte sein Pferd zu Womar zurück.
»Wahrhaftig...«, setzte Sir John lobend an, als das Heulen eines Wolfes aus nicht allzu weiter Ferne plötzlich die klare Morgenluft zerriß. Sir John brach in seiner Rede ab, Gorp ruckte so heftig an seinem Zügel, daß er Womar beinahe aus der Hand geglitten wäre, und
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