Drachenritter 05 - Der Drache, der Graf und der Troll
Schlaf an die Oberfläche. Zwar schien er alle Zeit der Welt zu haben, aber daneben drang noch ein anderes Gefühl in sein Bewußtsein. Dieses Gefühl verdichtete sich allmählich zu der Erinnerung, daß er die Nacht in Brians Zimmer verbracht hatte statt in dem Quartier, das er mit Angie, Robert und den Dienern teilte.
Er hatte es nicht eilig, die Augen zu öffnen. Zweifellos hatte er die Morgendämmerung, die gewöhnliche Zeit des Erwachens, verschlafen. Brian war gewiß schon vor langer Zeit aufgestanden und ausgegangen -und zweifellos hatte er sich möglichst geräuschlos erhoben und angekleidet, um ihn nicht zu stören. Der gute alte Brian. Was irgendwelche möglichen anderen Pflichten für den heutigen Tag betraf - die schienen keine Rolle zu spielen. Vielleicht würde er einfach den ganzen Tag hier liegen bleiben und dösen...
Aber sein Körper hatte da offensichtlich andere Vorstellungen. Er schien entschlossen zu sein, auch noch den letzten Rest von Schläfrigkeit abzustreifen, ob es Jim nun gefiel oder nicht. Widerstrebend öffnete er die Augen, aber eine Explosion von Licht, die von einem durch eine Schießscharte fallenden Sonnenstrahl verursacht wurde, ließ ihn zuerst niesen und dann die Augen wieder schließen.
Vorsichtig öffnete er sie abermals. Während seine Augen sich dem grellen Licht langsam anpaßten, erkannte er eine Gestalt, die nur wenige Fuß von ihm entfernt am Tisch saß - und einige Sekunden später erkannte er auch, daß es sich um Brian handelte. Sein alter Freund war vollkommen angekleidet und saß mit einem Becher in der Hand da, der wahrscheinlich verdünnten Wein enthielt - nicht einmal Brian war es zuzutrauen, daß er schon früh am Morgen anfing, unverdünnten Wein zu trinken, es sei denn bei besonderen Gelegenheiten. Nun sah der andere Ritter ihn nachdenklich an. Der Raum war ein Labyrinth aus Licht und Dunkel, und Jim war von dem Sonnenlicht zu sehr geblendet, um außer Brian viel zu erkennen.
Natürlich würde es auch nichts anderes zu sehen geben als das Bett und ein oder zwei weitere Stühle...
»Ah, James«, sagte Brian freundlich. »Ihr seid jetzt wach?«
Jim fühlte sich aufs Schärfste versucht, >nein< zu sagen, aber sein gesunder Menschenverstand mahnte ihn, daß er die Tatsache kaum leugnen konnte, solange seine Augen offen waren und sein Blick auf Brian ruhte.
»Ja«, antwortete er und war erfreut zu hören, daß seine Stimme wieder ihren gewohnten Klang angenommen hatte statt des verdrießlichen Krächzens, mit dem er gestern morgen erwacht war.
Das Licht aus dem Fensterschlitz fiel immer noch direkt in seine Augen. Er rollte sich von der Matratze herunter, zog diese dann hoch, so daß die eine Hälfte aufrecht an der Wand lehnte, setzte sich auf die andere Hälfte und zog die zugehörigen Decken wieder über sich. Er hatte gar nicht bedacht, wie kalt es im Zimmer sein würde. Aufrecht sitzend sah er nun zu Brian hinüber.
So war es schon besser. Einige wenige Sonnenflecken tanzten zwar immer noch vor seinen Augen und wirkten greller, als sie es wirklich waren, weil die einzige Lichtquelle des Zimmers dieser eine Sonnenstrahl war, der durch die Schießscharte fiel. Der größte Teil des Raums lag in Dunkelheit. Aber in einem so kleinen Zimmer wie diesem spielten die tiefen Schatten kaum eine Rolle.
Brian war nicht so gekleidet, als wolle er gleich zur Jagd oder zu irgendeiner anderen Vergnügung aufbrechen; er saß einfach nur behaglich da. Sein Hemd war hellgrün und natürlich aus gestrickter Wolle - dick genug, um im zwanzigsten Jahrhundert als Pullover durchzugehen. In ihrer Zeit galt es ungefähr als das leichteste Kleidungsstück, das ein Mann tragen konnte, wenn er sich als Edelmann betrachtete und als geziemend gekleidet gelten wollte.
»Hättet Ihr gern einen Becher von diesem heißen Getränk - wie heißt es noch gleich?« fragte Brian. »Carolinus trinkt es auch, Ihr wißt schon. Tee.«
»Tee?« wiederholte Jim.
Dann sah er, daß auf dem Tisch ein sehr großer Lederkrug mit der von Angie, eigenhändig angebrachten Aufschrift GEKOCHTES WASSER stand. Seine Ohren sagten ihm ferner, daß drüben auf dem Kamin ihr Reisekessel leise vor sich hin summte.
Im England dieser Zeit war Kaffee offensichtlich nicht zu haben. Aber Carolinus hatte seinen Tee, und irgendwie hatte Angie ihn dazu überredet, sie mit einer begrenzten Menge Teeblätter zu bevorraten. Jims eindringlichen Bitten, ihm zu erklären, wie er auf magische Weise an Kaffee oder Tee
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