Drachenritter 06 - Der Drache und der Dschinn
aufweisen, wenngleich sie bei den Mongolen eher eine religiöse Stellung innehaben.«
»Wo wir gerade von Magie sprechen«, sagte Jim, »es gefällt mir, daß es in Eurem Haus so kühl ist. Habt Ihr das mittels Magie bewerkstelligt?«
»Das ist der einzige Luxus, den ich mir gönne«, antwortete Abu al-Qusayr seufzend, »so wie Carolinus, Euer Lehrer, sich das ganze Jahr an den Blumen und dem grünen Rasen rund um sein kleines Haus erfreut. Wenn Ihr erst einmal in die erste Kategorie aufgestiegen seid, werdet Ihr über die nötige Weisheit verfügen, Eure Wünsche auch ohne Magie zu verwirklichen; folglich verfügt Ihr über genug magische Energie, um Euch den einen oder anderen Luxus leisten zu können.«
Abermals seufzte er.
»Den einen oder anderen Luxus, habe ich gesagt«, fuhr er fort, »denn die Architektur meines Hauses greift eine alte, stolze Tradition auf aus einer Zeit, als es südlich des Mittelmeers eine große Zivilisation gab. Wir hatten alle möglichen Handwerker, Gelehrte und Weise. Dann aber fielen Dschingis Khans Mongolen ein, eroberten die Städte und zerstörten sie, und mit ihnen ging ein großer Teil des Wissens und der Weisheit unter. Jetzt lebe ich allein für mich und habe nur selten Gelegenheit, mich mit jemandem zu unterhalten, der gescheit ist und sich bemüht, die Welt zu verstehen.«
Er stockte, dann schüttelte er die Erinnerung mit merklicher Anstrengung ab.
»Aber ich rede zuviel von mir selbst«, sagte er. »Was die Weisen und Gelehrten angeht, so ziehen immer noch ein paar durch die Lande. Einen solchen Mann werdet Ihr in der Karawane antreffen. Er ist noch jung - höchstens dreißig, würde ich sagen -, heißt Ibn-Tariq, und seine Unterhaltung dürfte auf der langen Reise nach Palmyra eine willkommene Abwechslung für Euch darstellen. Seid Ihr schon einmal auf einem Kamel geritten?«
»Nein«, antwortete Jim.
»Ihr werdet es interessant finden«, meinte Abu al-Qusayr.
17
Die Bezeichnung >interessant< schien Jim nicht ganz passend für die Erfahrung, auf einem Kamel zu reiten.
Die Karawane, der sich Jim, Brian und Kob angeschlossen hatten, war vor fünf Tagen von Tripolis nach Palmyra aufgebrochen, auf einer Route, die steil zum Gebirge hin anstieg, und Jim hatte noch immer keine rechte Gewalt über das Tier, auf dem er ritt.
Wegen der langen Beine mußte er es dazu bewegen, sich hinzuknien, wenn er aufsitzen wollte, und abgesehen von Brian, der die gleichen Schwierigkeiten hatte wie er, schafften dies auch alle, indem sie dem Kamel mit einem dünnen Stecken einfach an den Hals tippten. Jim konnte so leicht oder so fest tippen, wie er wollte; das Kamel scherte sich nicht darum. Worauf es dabei ankam, mußte er noch lernen. Außerdem war das Kamel mit Zügeln ausgestattet, mit denen man es lenken konnte wie ein Pferd. Jims diesbezügliche Bemühungen ignorierte es allerdings ebenfalls.
Statt dessen stapfte es ganz von selbst mit den anderen Kamelen mit. Wenn die anderen Kamele stehenblieben, hielt es ebenfalls an. Es stank, es gab laute, blubbernde Geräusche von sich und schenkte Jim, der auf seinem Rücken saß, so wenig Beachtung wie einem Gepäckstück.
Das einzig Gute daran war der Paßgang, der auf Dauer angenehmer war als das ständige Auf und Ab eines trabenden Pferdes. Das Kamel setzte beide Beine einer Seite gleichzeitig vor. Die Folge war eine ruckfreie, wiegende Fortbewegung. Jim konnte sich sogar vorstellen, im Sattel zu schlafen - und das um so leichter, als es der Tuareg-Sattel mit dem hohen Kreuz dem Reiter erlaubte, die Arme auf die Querstreben zu legen und den Kopf darauf zu stützen.
Tatsächlich hatte Jim bereits einen seiner Mitreisenden dabei beobachtet, wie er vorgebeugt im Kamelsattel schlief. Dieser war ein kleiner, schwarzhaariger Mann mit einem runden Kopf, der ein kurzes Krummschwert und mehrere Messer am Gürtel trug, die Beine auf dem Hals des Kamels übereinandergeschlagen hatte und, wie sich herausstellte, ein Mongole war.
Sein Name war Baiju, und anscheinend gehörte er einem Mongolenstamm an, der mit den Mongolen, denen sie unterwegs begegnen mochten, verfeindet war. Viel war nicht aus ihm herauszubekommen, allerdings wirkte er ausgesprochen gefährlich, und Jim fiel auf, daß die übrigen Mitreisenden ihm aus dem Weg gingen oder darauf achteten, ihn nicht zu reizen.
Ein anderer Mitreisender hingegen war ein wahrer Segen: Ibn-Tariq, der umherwandernde Gelehrte und Denker, von dem Abu al-Qusayr gesprochen hatte.
Seine
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