Drachenritter 06 - Der Drache und der Dschinn
dann an, wenn sie in der Überzahl sind. Wie die meisten gefährlichen Stämme, die in dieser Gegend leben, sind sie wahrscheinlich nicht zahlreich genug, um uns anzugreifen. Gegen einen Trupp Mongolen wären wir natürlich wehrlos. Sie wären uns zahlenmäßig überlegen, außerdem sind sie ausgesprochen gute Kämpfer. Andererseits verspräche eine Karawane den Mongolen zu wenig Beute. Sollten wir welchen begegnen, dann hätten sie es wohl eher auf eine Stadt abgesehen.«
Er stockte und blickte Jim an, als wollte er ihn zum Reden auffordern. Jim zögerte. Offenbar wollte Ibn-Tariq wissen, ob Jim die Karawane mittels Magie vor den Mongolen schützen könne, doch verbot es ihm die Höflichkeit, sich danach zu erkundigen.
»Mit großem Interesse habe ich davon gehört«, fuhr Ibn-Tariq fort, als das Schweigen peinlich zu werden drohte, »wie der große ungläubige Magier von Cordoba vor einem halben Jahrhundert die Stadt vor einem Angriff bewahrt hat.«
Abermals fühlte er behutsam vor und gab Jim Gelegenheit, von vergleichbaren Gaben zu sprechen. Bedauerlicherweise hatte Jim noch nie etwas von dem großen ungläubigen Magier von Cordoba gehört, einer Stadt in Spanien, die im elften und zwölften Jahrhundert für Nordafrika beinahe der Mittelpunkt des Abendlandes gewesen war.
»Ah, ja«, meinte Jim. »Sollten die Mongolen auftauchen, so müssen wir eben höflich mit ihnen reden und darauf hoffen, daß alles gutgeht.«
»Inschallah«, gab Ibn-Tariq sich geschlagen, was soviel bedeutete wie >so Gott will<. »Die Sonne steht bereits dicht über den Berggipfeln. In Kürze werden wir das Nachtlager aufschlagen. Ich reite vor und sehe mich am ausgewählten Ort schon einmal um.«
Ibn-Tariq ritt davon, und Jim blieb zurück. Das kam ihm nicht ungelegen, denn er wollte nachdenken. Er hätte Ibn-Tariq gern noch über Pahnyra ausgefragt und von ihm erfahren, ob eine Aussicht bestand, Gerondes Vater dort ausfindig zu machen. Allerdings wollte er damit noch warten, bis sie darüber gesprochen hatten, daß er ein Magier war. Am liebsten hätte er Ibn-Tariq gebeten, alles, was er über Jim und Brian erfuhr, vertraulich zu behandeln.
Wahrscheinlich würden sie es nicht für sich behalten können, und das Problem dabei war, daß aus einem >Magier< schnell ein >großer Magier< wurde, und große Magier erregten großes Aufsehen. Großes Aufsehen würde jedoch ihren Nachforschungen in Palmyra im Wege stehen.
So weit waren seine Überlegungen gediehen, als er auf einmal feststellte, daß er nicht mehr allein ritt. Neben ihm befand sich ein anderes Kamel, und darauf saß Baiju, der Mongole.
Baiju ritt schon eine ganze Weile an seiner Seite, schien es wie gewöhnlich aber nicht eilig zu haben, eine Unterhaltung zu beginnen.
Das war seltsam, dachte Jim. Dem äußeren Anschein nach hätte Baiju eigentlich unbedeutend, wenn nicht gar lächerlich wirken sollen. Er war nicht nur ein kleiner Mann, sondern ritt auch in einer krummen Haltung, wenngleich Jim irgendwann zu dem Schluß gelangt war, daß er weniger krumm als vielmehr vollkommen entspannt im Sattel saß.
In Wirklichkeit schien er sich unterwegs wohler zu fühlen als jeder andere in der Karawane. Sein Gesicht war tellerrund, und er hatte Schlitzaugen, hohe Wangenknochen und gelbe Haut. Seine tiefschwarzen Augen waren fast ausdruckslos. Es war unmöglich, aus ihnen seine Gefühle, geschweige denn seine Absichten herauszulesen.
Gleichwohl war er bislang auf seine lakonische Art freundlich zu Jim gewesen. In dem Sinn, daß er weniger auf das antwortete, was man ihm sagte, als vielmehr unmißverständliche Bemerkungen machte, war er das genaue Gegenteil von Ibn-Tariq. Jim wußte, daß er erst dann reden würde, wenn er angesprochen wurde.
»Wir werden bald das Nachtlager aufschlagen«, sagte Jim. »Mir scheint, es wird allmählich kühl; allerdings kommen wir auch immer höher.«
Er blickte Baiju an, der unter seinem Kettenhemd nur mit einem dünnen, dunkelblauen Hemd bekleidet war, das aus einem erstaunlich dichtgewebten, dünnen Material bestand.
»Wird es Euch hier im Gebirge nicht kalt, wo Ihr bloß das Hemd unter dem Panzer tragt?« erkundigte er sich.
»Das Hemd ist aus Seide«, antwortete Baiju.
Jim kam sich ein wenig dumm vor. Natürlich trugen die Mongolen mit ihren Verbindungen zum Fernen Osten überwiegend Kleidungsstücke aus Seide. Dabei fiel ihm ein, daß auch Abu al-Qusayrs Gewand so ausgesehen hatte, als ob es ...
»Wir im Westen sind es gewohnt, unter dem
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