Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
und versuchte, den Lärm, den sie machten, zu übertönen. »Sofort aufhören! Hört damit sofort auf! Habt ihr mich verstanden? ICH SAGTE AUFHÖREN!«
Das Gebrüll wurde leiser und erstarb schließlich ganz. Sie kamen zum Stehen und blickten über eine Entfernung von nur anderthalb bis drei Metern auf die Bewaffneten Sir Simons, die zurückstarrten und gar nichts dagegen zu haben schienen, auf diese zivile Menge einzuschlagen, und offenbar schon genau wußten, wie sie dabei vorgehen würden.
In diesem Augenblick der Stille knallten die zwei Hälften der großen Vordertür erneut auf, und herein kam Secoh, der Teichdrache.
Secoh war ein Gefährte von Jim gewesen, als dieser mit anderen gegen die Dunklen Mächte am Verhaßten Turm gekämpft hatte. Seitdem besuchte er ihn hin und wieder, wenn er nicht gerade als eine Art Geschichtenerzähler, Anführer und Idol für die jüngeren Klippendrachen fungierte.
Jetzt wackelte er den Gang zwischen den zwei langen, niedrigen Tafeln der Halle entlang – Gehen war für Drachen eine unbeholfene, wenn auch praktizierbare Art der Fortbewegung. Sir Simons Truppe starrte ihn erstaunt an.
Einen gehenden Drachen hatten sie ohne Zweifel noch nie gesehen – oder sich auch nur vorgestellt. Möglicherweise hatten sie einmal einen stehenden Drachen auf dem Schild von irgendwem gesehen oder das Bild eines sterbenden Drachen vor St. Georgs Schwertspitze, vielleicht sogar einen Drachen, der hoch über ihre Köpfe hinwegflog – aber nie zuvor hatten sie einen Drachen erblickt, der, so wie jetzt Secoh, auf sie zustampfte.
Sie gingen ihm aus dem Weg. Teichdrachen hatten nicht mehr als drei Viertel der Größe gewöhnlicher Drachen, etwa Klippendrachen, aber in einer Halle mit Decke erhob sich Secoh hoch genug, um jeden Anwesenden vorsichtig werden zu lassen. Die Bediensteten hatten ihm bereits Platz gemacht, und nun traten auch die Bewaffneten beiseite. Wortlos teilten sie sich vor ihm wie das Rote Meer vor Moses und den Israeliten.
»M'lord!« rief Secoh mit seiner tiefen Drachenstimme und hielt vor Jim an der hohen Tafel an. Da Jim an der hohen Tafel auf dem Podest saß und Secoh sich auf den Boden davor setzte, befanden sich ihre Köpfe mehr oder weniger auf einer Höhe. Mit drachischer Zielstrebigkeit übersah Secoh alle anderen Anwesenden. »Wir Klippendrachen haben eben erfahren, daß Ihr zurück seid, daher kam ich sofort vorbei. M'lord, könnt Ihr mir sagen, ob Ihr einen Halbwüchsigen von den Klippenhöhlen mit Namen Garnacka in letzter Zeit gesehen habt? Er nennt sich meistens Acka.«
»Ja. Er kam auf mich zu, als ich vor ein paar Tagen flog. Ich sagte ihm, er solle zu den Klippenhöhlen zurückkehren.«
Secoh stieß einen tiefen erleichterten Seufzer aus.
»Danke, M'lord! Ich fühle mich jetzt viel besser. Hat er Euch sehr gestört? Ich habe ihnen allen eingeschärft, Euch nicht zu belästigen. Aber er ist ein sehr rastloser junger Drache, und seine Mutter Garaga bat mich herauszufinden, ob er Euch belästigt hat.«
»Er hat mich wirklich nicht belästigt«, antwortete Jim.
Es war schon irgendwie lächerlich, hier mit auf dem Rücken gefesselten Händen zu sitzen und mit Secoh ein gewöhnliches Gespräch zu führen. Jim sagte das erste, was ihm einfiel, während sein Verstand wie wild arbeitete, um einen Weg zu finden, diese unerwartete Entwicklung zu seinem Vorteil zu nutzen.
Gerade jetzt war Secoh weniger eine mögliche Hilfe als ein Hindernis. Er blockierte den Weg, auf dem Jim in mehreren Sprüngen nach draußen gelangen wollte. Offensichtlich konnte sich Secoh nicht vorstellen, daß Jim, der hier immer das Sagen gehabt hatte, jetzt in Schwierigkeiten steckte.
»Nein, nichts, was man als Belästigung hätte bezeichnen können. Tatsächlich war er sogar sehr hilfreich.«
»Hilfreich?« Da war ein Unterton von Eifersucht in Secohs Stimme zu hören, und sein Kopf schob sich auf dem Hals nach vorn, als er Jim genau ansah.
»Nun, Ihr wißt, hilfreich wie jemand, der so jung ist, eben sein kann. Ihr wärt zum Beispiel viel hilfreicher gewesen,
wenn Ihr dagewesen wärt.«
»Warum habt Ihr mich nicht gerufen?«
»Es tut mir leid, aber es war so, daß er etwas am Boden gesehen hatte und mir davon erzählte, woraufhin ich sofort zur Burg zurückkehren mußte. Ich hatte keine Zeit, und es lohnte sich damals nicht, Euch zu rufen.«
»Oh. Nun… ich verstehe, M'lord. Ich verstehe. Ihr wißt ja, wenn Ihr mich braucht, müßt Ihr mich nur rufen, und ich komme – obgleich
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