Drachenritter 07 - Der Drache und der Wuzelkönig
vor dem Podest und rannten so schnell sie konnten durch den Eingang zur Anrichtestube.
Alle warteten. Durch diese Pause ließ die Anspannung in der Halle etwas nach. Die Königlichen Soldaten mußten ihre Formation halten und weiterhin kampfbereit sein, und die Bewaffneten von Malencontri fühlten sich wohl verpflichtet, dasselbe zu tun, aber die Burgbediensteten unterlagen keiner solchen Verpflichtung. Unmerklich rückten sie nach vorn, und die verschiedenen Gegenstände, die sie als Waffen mit sich führten, hielten sie nun weniger bedrohlich, aber immer noch sicher und fest in den Händen.
Zwischen den zwei Gruppen war ein leises Murmeln zu hören. Die Königlichen Bewaffneten, die mit dem Rücken zum Podest standen, wollten wissen, was da oben vorging, und die Leute von Malencontri erzählten es ihnen, obgleich sie immer
noch bereit waren, die Königlichen zu erschlagen, zu erstechen oder mit Röstgabeln zu durchbohren.
Jim hatte die Idee, sich jetzt gleich in einen Drachen zu verwandeln, fallengelassen. Das konnte er später immer noch tun. Secoh stand ihm zudem auch jetzt noch im Weg. Darüber hinaus hatte er den großen Mann mit dem Brustkreuz erkannt. Es war Richard de Bisby, der Bischof von Bath und Wells, dessen Bekanntschaft Jim und Angie auf der letzten Weihnachtsfeier des Grafen von Somerset gemacht hatten. Richard de Bisby war offensichtlich auf Carolinus' Seite – was bedeutete, daß er höchstwahrscheinlich auch auf Jims sein würde. Und Richard de Bisby fürchtete sich in seiner Eigenschaft als Kirchenoberer weder vor Menschen und Tieren noch vor Elementarwesen – zu denen der gute Bischof auch Teufel, Dämonen und alles andere Magische oder Übernatürliche rechnete.
Der gute Bischof hatte einen kämpferischen Geist, der bedauerte, daß die früheren Zeiten vorbei waren, wie die unter dem Bischof Odo, der vor dreihundert Jahren auf Seiten Williams des Eroberers an der Invasion Englands beteiligt gewesen war und später auf einem Kreuzzug ins Heilige Land starb.
Odo hatte in seiner heiligen Berufung keine Beschränkung seines Eifers gesehen – obwohl er so rücksichtsvoll war, als Waffe nur einen Priesterstab zu führen, damit er des Vergießens menschlichen Blutes nicht schuldig wurde. In diesem vierzehnten Jahrhundert war diese Art von kämpfendem Bischof undenkbar, aber hier in dieser Welt gab es noch immer Teufel, Dämonen, Unholde und ähnliches, und Richard de Bisby hatte die Hoffnung, eines Tages auf einige von ihnen zu treffen und sich persönlich mit ihnen befassen zu können.
Der Bischof hatte damals dafür gesorgt, daß Jim und Angie Robert Falon als Mündel erhielten. Dazu hatte er sich zum Hof nach London begeben und dem König wiederholt gesagt, daß jede andere Verfügung über Robert undenkbar wäre. Der König, dessen Blut genauso normannisch war wie das des guten Bischofs, hätte mit dem Geistlichen früher einmal eine lange Auseinandersetzung geführt. Das wäre noch vor vielleicht zwanzig oder dreißig Jahren gewiß der Fall gewesen. Aber während de Bisby im besten Mannesalter war – was bei ihm Mitte Vierzig hieß –, hatte die Zeit das gekrönte Haupt niedergedrückt. Der König wünschte sich nichts so sehr, wie in Frieden seinen Vergnügungen nachgehen zu können.
Der König konnte dem Bischof nicht aus dem Weg gehen, er konnte ihn nicht überschreien, und so war es das einfachste nachzugeben. Davon abgesehen war James Eckert ein äußerst bekannter Name seit dem Kampf am Verhaßten Turm, über den in England noch immer Lieder gesungen wurden.
Im Augenblick allerdings schenkte der Bischof Jim oder Angie keine Aufmerksamkeit, sondern konzentrierte sich auf Carolinus, der auf dem Stuhl eingeschlafen war. Sie waren alte Freunde – das hatte Jim auf besagter Weihnachtsfeier erfahren –, und der Bischof war immer sehr besorgt um den so viel älteren – keiner wußte, um wieviel älteren – Mann.
Aber in diesem Augenblick kehrten die Bewaffneten von Sir Simon durch den Eingang zur Anrichtestube zurück und trieben den Priester in ihrer Mitte zur Eile an.
Kapitel 34
DER UNGLÜCKSELIGE PRIESTER, der von den Bewaffneten weitergedrängt wurde, konnte zwischen den Männern an beiden Seiten nur ein wenig hindurchsehen. Wie der Zufall es wollte, erhaschte er zuerst einen Blick auf die rote Robe von Carolinus.
Sofort begann er während der nächsten vier Schritte auf Latein eine Segnung, bis er stolperte und gegen die Kante des Podests fiel. Er zog sich selbst
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