Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
bemühte er sich, Sofia irgendwie zu trösten und ihr Mut zu machen.
Als sie zu Ende erzählt hatte, nahm er sie zärtlich in den Arm, um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war. Sofia schniefte ein paar Mal und schwieg dann.
» Ich muss mich stellen « , dachte sie. Sie hatte es satt, sich immer wieder von der Angst einschüchtern zu lassen. Es durfte kein Hin und Her mehr geben, sonst wäre ihr Entschluss, ihr Schicksal anzunehmen, umsonst gewesen.
» Was hast du jetzt vor?«, fragte der Professor.
Die Frage überraschte Sofia nicht. Ihr war klar, was er mit diesen Worten sagen wollte.
» Ich muss handeln. Aber nicht überstürzt. Ich muss ganz fit werden. Wir dürfen nach Lidja nicht auch noch die Frucht verlieren. Noch ein Fehler, und alles ist aus.«
Professor Schlafen blickte sie aufmerksam an und nickte dann. » Hoffentlich sagst du das nicht nur, weil du glaubst, dass ich das von dir erwarte.«
» Nein, das denke ich wirklich«, versicherte sie ihm rasch. » Ich hab aus meinen Fehlern gelernt. Aber ich brauche deine Hilfe. Allein kann ich das nicht schaffen.«
» Selbstverständlich. Sag mir, was du vorhast.«
Sofia schwieg. So genau hatte sie sich das noch nicht überlegt. Eigentlich hatte sie erwartet, dass er einen Plan entwickeln würde. Hatte sie ihm nicht gezeigt, wie einsichtig sie nun war und dass sie ihre Lektion gelernt hatte? Jetzt sollte er wieder die Zügel in die Hand nehmen und ihr erklären, wie es weiterging. Doch der Professor schwieg.
» Ich … ich weiß es nicht …«, stammelte sie schließlich. » Eigentlich wünsche ich mir nur, dass Lidja heil zurückkommt.«
» Willst du ihnen die Frucht überlassen?«
Sofia dachte angestrengt darüber nach. Sollte sie das wirklich ganz allein entscheiden?
Zumindest musste sie etwas sagen, denn wieder folgte ein langes Schweigen.
» Ich bin dafür verantwortlich, dass Lidja in Nidhoggrs Gewalt geraten ist, und deshalb muss ich sie daraus befreien. Ich darf nicht zulassen, dass ihr etwas geschieht. Dass sie umgebracht wird. Also bleibt mir wahrscheinlich nichts anderes übrig, als denen die Frucht zu geben.«
» Möglich, dass Nidhoggr Lidja tatsächlich freilässt, wenn er so die Frucht bekommt. Aber in Sicherheit wäre sie dadurch nur kurz. Denn wenn Nidhoggr siegt und der Weltenbaum seine Früchte verliert, wird niemand mehr seines Lebens sicher sein. Dann ist es um uns alle geschehen.«
Sofia seufzte tief. Das sah nach einer verdammten Sackgasse aus. Die Bilder, die Nidhoggr in ihr wachgerufen hatten, waren unerträglich, vor allem weil sie so verflucht echt waren. Als habe er ihr die Zukunft vor Augen geführt, so hatte es ausgesehen, eine entsetzliche Zukunft, die ganz einer Vergangenheit ähnelte, an die sie sich allzu gut erinnerte. Nidhoggr hatte recht. Sie und Thuban hatten keine andere Wahl.
» Ich weiß noch nicht, wie, Professor. Aber ich werde Lidja und die Frucht wieder mit nach Hause bringen. Versprochen!«
Der Professor blickte sie aus halb geschlossenen Augen aufmerksam an. » Ich vertraue dir. Und ich weiß, dass du es schaffen wirst. Vielleicht habe ich sogar schon eine Lösung für unseren Fall. Oder dachtest du vielleicht, ich lege meine Hände in den Schoß und überlasse alles dir allein?«
Er fuhr ihr zärtlich übers Haar.
» Ich bin stolz auf dich, Sofia. Du wirst immer erwachsener.«
Das Mädchen errötete. Auch wenn es ihr selbst nicht so vorkam, freute sie sich über sein Lob.
Die nächsten Tage waren eine einzige Qual. Gepeinigt von Albträumen, in denen immer wieder Nidhoggrs entsetzliche Drohungen auftauchten, machte sie nachts kaum ein Auge zu, und auch das Warten tagsüber raubte ihr den letzten Nerv.
Währenddessen erholte sich der Junge, den sie gerettet hatten, langsam. Um herauszubekommen, wer er überhaupt war, und ihn zu seiner Familie bringen zu können, gingen der Professor und Thomas noch einmal die Zeitungen der letzten Monate nach Vermisstenanzeigen durch. Eine mühsame Arbeit, aber nach langem Suchen fanden sie die Meldung, dass vor einigen Wochen ein gewisser Mattia eines Nachts spurlos verschwunden sei. Die Ermittlungen der Polizei waren ergebnislos geblieben. Man vermutete eine Entführung, aber Genaueres wusste man nicht. Denn seine Mutter war betäubt worden und konnte sich, als sie wieder zu sich kam, an nichts erinnern. Allerdings gaben die Spuren der Gewalt, die die Täter im Bad hinterlassen hatten, zu der Befürchtung Anlass, dass man den Jungen nicht mehr lebend
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