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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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leichter.«
    Sofia versuchte ein Lächeln, das ihr nicht sehr überzeugend gelang. » Jedenfalls möchte ich jetzt gern wieder in die Bibliothek zurück.«
    Lidja zuckte mit den Schultern. » Wie du willst.«
    Abends erkundigte sich der Professor, wie es ihr mit dem Besuch ergangen war. Sofia überlegte, ob sie ihm die Wahrheit sagen oder etwas vorlügen sollte, um ihn zufriedenzustellen. Und sie kam zu dem Schluss, dass es vielleicht unfreundlich wäre, seine Begeisterung zu dämpfen, wenn sie ihm gestand, dass sie Lidja zu selbstgefällig fand, dass sie es nicht ertrug, ständig von ihr aufgezogen zu werden, und vor allem, dass es ihr furchtbar auf die Nerven ging, wie sich Lidja im Haus aufführte, so als sei das ihr Zuhause. Ach ja, und dass sie es peinlich fand, wie sie sich mit ihrem gezierten Gehabe bei allen einzuschleimen versuchte.
    » Ach, ganz gut«, antwortete sie stattdessen und blickte in eine andere Richtung.
    Der Professor beobachtete sie eine Weile und versuchte dahinterzukommen, wie ehrlich Sofia war. » Sie ist eine Waise, genau wie du.«
    Sofia kam das seltsam vor. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass so ein Siegertyp wie Lidja mit dem gleichen Schicksal geschlagen war wie sie selbst.
    » Sie ist bei ihrer Großmutter aufgewachsen. Die war Kartenlegerin, und als sie starb, stand Lidja ganz allein in der Welt. Der Zirkus ist jetzt so etwas wie ein Familienersatz für sie.«
    Sofia starrte auf ihren Teller. Plötzlich empfand sie es selbst als ziemlich grausam, dass sie Lidja so ablehnte. Genauer betrachtet hatten sie beide doch recht viel gemeinsam.
    » Wie wäre es, hättest du Lust, dich noch mal mit ihr zu treffen?«
    Um ihr dabei zuzusehen, wie sie sich aus dem Fenster schwang und wie ein Affe über dem Sims baumelte? Oder mit anzusehen, wie sie an Thomas’ Arm herumstolzierte und in der Bibliothek alles anfasste und sich unter den Nagel riss? Nein, ganz bestimmt nicht. Dann bemerkte sie den erwartungsvollen Gesichtsausdruck des Professors.
    » Vielleicht, hin und wieder …«, gab sie ein wenig nach.
    Er lächelte. » Euch beide verbindet wirklich eine ganze Menge, meine Liebe. Ich bin sicher, ihr werdet sehr gute Freundinnen werden.«
    Nachts im Bett konnte Sofia nicht schlafen. Ihre Gedanken kreisten um die Ereignisse des Nachmittags, ständig hatte sie Lidja vor Augen und das Gesicht des Professors, als er mit ihrem Gast gesprochen hatte. Er mochte dieses Zirkusmädchen, das war nicht zu übersehen. Und bestimmt war das auch der Grund, weshalb ihm so viel daran lag, dass sie beide Freundinnen wurden. Wenn sie sich darauf einließ, würde Lidja sie sicher häufiger in der Villa besuchen.
    Sofia betrachtete den im Mondlicht glänzenden weißen Marmor in ihrem Schlafzimmer und fragte sich, was sie in diesem schönen Haus eigentlich zu suchen hatte. Ihr Platz war das » verlauste« Waisenhaus, wie Lidja es genannt hatte. Der Professor hatte sich vertan, als er sie bei sich aufgenommen hatte, und wurde sich jetzt allmählich seines Irrtums bewusst. Vielleicht dachte er bereits daran, sie, Sofia, wieder dorthin zurückzuschicken, wo er sie hergeholt hatte, um an ihrer Stelle dieses ach so aufgeweckte und bewundernswerte Mädchen aus dem Zirkus zu sich zu nehmen. Und Lidja war ja wirklich etwas Besonderes. Nicht nur dass sie wie der Blitz aus dem Fenster entschlüpft war, sie war auch noch mutig genug, sich über ein Verbot hinwegzusetzen, nur weil sie Lust hatte, ein wenig frische Luft zu schnappen. Und wahrscheinlich hatte sie recht: Es gab überhaupt keinen Grund, sich im Wald zu fürchten. Er verbarg nichts Geheimnisvolles, sondern bestand nur aus einem Dickicht aus Pflanzen, die sich auch nachts nicht in grauenerregende Wesen verwandelten.
    Sofia stand auf. Ein kleiner Spaziergang zum See würde ihr guttun. Den Mond betrachten, der sich in der glatten Wasseroberfläche spiegelte, selbst wenn ihr dabei die winterliche Kälte in die Glieder kroch. Das brauchte sie jetzt.
    Als ihre nackten Füße den Zimmerboden berührten, fühlte sie sich wieder haargenau so wie an ihrem letzten Tag im Waisenhaus. Allem Anschein zum Trotz hatte sich seither nichts geändert, denn sie war immer noch dieselbe.
    Bemüht, jedes Knarren der Holzstufen zu vermeiden, stieg sie behutsam die Treppe hinunter. Dennoch kam es ihr vor, als mache sie einen Höllenlärm. Lidja mit ihrer katzenhaften Eleganz hätte sich wohl sehr viel lautloser bewegt. Wahrscheinlich hätte sie sich einfach am Stamm hinabgleiten lassen

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