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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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schließlich, während sie die Augen weit öffnete.
    Jetzt sollte der Professor eigentlich lachen, hoffte sie, und ihr versichern, dass alles nur ein Traum gewesen sei, eine Vision, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hatte. Was sie da gerade erlebt hatte, konnte unmöglich wahr sein. Es musste eine andere vernünftige, logische Erklärung dafür geben.
    Doch ihr Vormund löste sich von ihr, sodass Sofia wieder auffiel, wie besorgt er war.
    » Das war ein Unterjochter«, antwortete er.
    Ein Unterjochter? Sofia glaubte, nicht richtig verstanden zu haben. In was für eine Welt war sie da geraten? Hatten denn alle den Verstand verloren?
    » Solche Unterjochte sind anfangs einmal ganz normale Menschen, die eines Tages in ein Spiel hineingezogen werden, dem sie dann hilflos ausgeliefert sind. Dabei macht sich dann jemand ihre niedersten Gefühle wie Rachsucht oder Hass zunutze, oder auch ihre Minderwertigkeitskomplexe, und verspricht ihnen außergewöhnliche Kräfte, mit denen sie das beseitigen könnten, woran sie leiden. Lassen sie sich darauf ein, werden sie unversehens so schrecklich verwandelt wie der Junge, der dich angegriffen hat: Ihr eigener Wille ist ausgelöscht, und so sind sie nur noch ein Werkzeug jener Mächte, die sie so getäuscht haben.«
    Schweigend hörte Sofia ihm zu. Das klang alles so abwegig. Solche Geschichten las man nur in Büchern oder Comicheften, aber das wahre Leben war doch ganz anders: Im wahren Leben gab es keine kleinen Jungen, die mit Metallflügeln durch die Gegend flogen. Leider machte der Professor nicht den Eindruck, als wolle er sie auf den Arm nehmen.
    » Aber wer sollte denn so etwas tun?«
    Professor Schlafen fuhr sich mit der Hand durchs Haar und blickte dann zu Boden. » Nidhoggr. Er oder eine seiner irdischen Absonderungen.«
    Sofia starrte in ihre Teetasse, in der sich ihr Gesicht spiegelte, das bestürzt und verloren wirkte. » Wer ist das, Nidhoggr?«, fragte sie. » Dieser Name schoss mir durch den Kopf, als der Junge vor mir auftauchte. Er macht mir Angst, entsetzliche Angst. Dabei habe ich keine Ahnung, wer das sein soll.«
    » Doch … du weißt es …«, antwortete der Professor, » natürlich nicht bewusst. Aber tief in deinem Herzen, und deswegen fürchtest du ihn.«
    Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Furchtbar müde wirkte er und besorgt.
    » Vor fast dreißigtausend Jahren sah die Welt vollkommen anders als heute aus«, begann er zu erklären. » Da befanden sich die Menschen noch im Einklang mit der Natur und die Drachen beherrschten die Erde. Diese waren eine Art Wächter der natürlichen Ordnung, nach deren Gesetzen alle Kreaturen lebten, auch die Menschen. Die Drachen sorgten dafür, dass der magische Mechanismus, die perfekt ineinandergreifenden Abläufe der Natur, durch nichts gehemmt wurden.«
    Staunend, mit offenem Mund, hörte Sofia ihm zu. » Aber Drachen gibt es doch gar nicht …«, erklärte sie dann im Brustton der Überzeugung, entschlossen, sogar das Offensichtliche zu leugnen, nur um nicht zugeben zu müssen, dass die Welt, wie sie sie kannte, vielleicht reine Illusion war.
    Der Professor lächelte bitter. » Glaub mir, Drachen gibt es. Und die Tatsache, dass du hier bist, belegt es. Aber damit du es wirklich verstehst, sollte ich der Reihe nach erzählen. Der eigentliche Hüter der natürlichen Ordnung auf Erden war der Weltenbaum, riesengroß und viele Jahrhunderte alt, von dem alle Kräfte ausgingen, die für den Erhalt des Lebens sorgten. Er war es, der über den Kreislauf der Jahreszeiten wachte, der Pflanzen keimen und Blumen erblühen ließ. Seine Früchte aber, die Früchte des Weltenbaumes, waren eine Verkörperung seiner grenzenlosen positiven Energie. Fünf Drachen, die sogenannten › Schutzdrachen‹ bewachten ihn und verhinderten, dass ihm irgendetwas zustoßen konnte. Alles war vorbildlich geordnet, Sofia, alles war vollkommen und wunderbar.«
    Der Professor hielt inne, um ihr Gelegenheit zu geben, noch einen Schluck Tee zu trinken.
    » Doch nicht alle Kreaturen lieben das Gute und die Vollkommenheit. Die Lindwürmer waren die Herren der Finsternis und herrschten über das Reich der Kälte und der Nacht. Viele Jahrhunderte gaben sich beide Seiten mit ihrer Bestimmung zufrieden, bis dann Nidhoggr eines Tages den Aufstand probte. Er war der mächtigste Lindwurm auf Erden und beschloss, den Weltenbaum zu vernichten. Ganz offensichtlich hasste er die Harmonie und den Frieden, die auf Erden herrschten, und auch die Menschen,

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