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Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis

Titel: Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Licia Troisi
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ablehnst: die Gelegenheit, etwas Bedeutendes, Sinnvolles zu tun, und die Zuneigung eines Menschen, dem viel an dir liegt und der wegen dir seinen eigenen Pflichten nicht nachkommt. Verstehst du? Der Professor vernachlässigt seine Pflichten als Hüter, und das nur, weil er sich um dich sorgt.«
    Sofia ließ den Kopf hängen und nahm es hin, dass ihr nun vollständig übel wurde. So schlecht wie in diesem Moment hatte sie sich im ganzen Leben noch nicht gefühlt, und das nicht nur, weil ihr schwindlig war. » Bring mich wieder runter«, sagte sie mit kaum vernehmlicher Stimme.
    » Verfluchte Memme!«, grummelte Lidja.
    Sie legte Sofia einen Arm um die Taille, führte sie behutsam vom Dach hinunter und brachte sie wohlbehalten durch das Fenster ins Zimmer zurück. Dort ließ sich Sofia auf den Fußboden sinken und starrte vor sich hin.
    » Du hast deine Entscheidung getroffen«, sagte Lidja kalt, während sie zur Tür trat. » Dann steh wenigstens auch für die Folgen gerade.«

12
    Unterirdische Geheimnisse

    Nach dem Streit mit Lidja war sich Sofia nicht mehr sicher, ob es richtig war, sich ihrem Schicksal zu entziehen. Die Entschlossenheit, die in den Worten der anderen zum Ausdruck kam, sowie ihr verächtlicher Blick, hatten ihren wunden Punkt getroffen. Auch wenn sie es sich nur schweren Herzens eingestand: Lidja war ein Vorbild für sie, dem sie gerne gefolgt wäre.
    Deshalb war Sofia nun öfter zur Bibliothek gegangen, hatte aber vor der Tür immer wieder gezögert. Sie wollte sich beim Professor entschuldigen, wollte ihm sagen, dass sie bereit sei, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken, auch wenn sie es immer noch für unmöglich hielt, dass ausgerechnet sie Lungs jüngster Nachfahre sein sollte. Es müsste schon ein seltsamer Zufall sein, wenn gerade dem Menschen diese besonderen Kräfte verliehen worden wären, der am wenigsten dazu in der Lage sein würde, sie sinnvoll einzusetzen. Dabei war sich Sofia bewusst, dass dieses Herumrätseln nur ein sinnloser Versuch war, ihre Entscheidung hinauszuzögern. Und währenddessen hatte ein anderes Mädchen in ihrem Alter in der gleichen Lage, ohne mit der Wimper zu zucken, Ja gesagt.
    Was hinderte sie daran, sich ebenso zu verhalten? Angst? Aber Lidja hatte auch Angst, wie sie selbst zugab. Sofias Überzeugung, zu nichts zu gebrauchen zu sein? Schön und gut, aber eigentlich waren das alles nur Ausreden. Schließlich hatte man sie um Hilfe gebeten. Und so konnte sie sich nicht heraushalten, ohne sich wie ein Wurm vorzukommen. Der Professor brauchte sie, und nicht nur er, sondern, seinen Worten nach, die ganze Welt. Aber als sie ihm die Bitte abgeschlagen und erklärt hatte, dass sie nicht dabei sein würde, hatte er sie nicht aus dem Haus gejagt, sondern sie gebeten zu bleiben, weil ihm so viel an ihr lag. Das hatte er jedenfalls gesagt, und eigentlich hatte sie keinen Grund, daran zu zweifeln. Vielleicht sollte sie sich wirklich ändern. Vielleicht war es einen Versuch wert, um auch in Zukunft spüren zu dürfen, dass sie aufrichtig geliebt wurde. Der Professor hatte ein Opfer für sie gebracht, hatte ihr also nicht nur gesagt, wie wichtig sie ihm war, sondern es ihr dadurch auch bewiesen. Jetzt war sie an der Reihe.
    Am Abend gab sich Sofia endlich einen Ruck. Sie hatte genug von all den Zweifeln und wollte das klärende Gespräch nicht länger hinauszögern. Deshalb verharrte sie dieses Mal nicht auf der Schwelle, sondern klopfte an. Gedankenversunken und leise klang die Stimme, die ihr antwortete. Mit zitternder Hand drückte sie die Klinke nieder und trat schüchtern ein. Der Professor saß tief gebeugt vor einem Stapel Bücher und fuhr gerade mit dem Finger über die trockenen Seiten eines antiken Wälzers.
    » Für mich keinen Tee heute Abend, Thomas, ich …«
    Er hob den Blick, um den Satz zu beenden, und seine Augen weiteten sich erstaunt, als er Sofia sah. Unentschlossen stand das Mädchen einen Augenblick da, gab sich dann einen Ruck, trat zu ihm und nahm schweigend Platz. Wie schön wäre es, wenn er alles verstände, ohne dass ich es aussprechen müsste, dachte sie. Doch der Gesichtsausdruck des Professors war ernst geworden, er hatte die Brille abgenommen und massierte sich jetzt mit Daumen und Zeigefinger die Nasenwurzel. Er wirkte erschöpft.
    » Ich nehme an, du willst mir sagen, dass du uns verlassen wirst. Habe ich recht?«
    Die Worte versetzten Sofia einen Stich ins Herz.
    » Keine Sorge, ich bin darauf vorbereitet«, lächelte er traurig.

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