Drachenseele (German Edition)
eingewilligt hätte. Er holte sich die tollen Prognosen ins Gedäch t nis zurück: Kopfschmerzen, Übelkeit, Sehstörungen bis hin zur völligen Erblindung. Und wenn sich die Ärzte irrten? Wenn dieser Tumor in seinem Kopf vielleicht schon immer da gew e sen war? Schließlich waren die Ärzte davon ausgegangen, ihn nicht mehr ansprechbar vorzufinden. Sie lagen falsch! Sie mus s ten sich irren! Dann fragte sich Marcus, woher aber seine Kop f schmerzen kamen? Dafür gab es einen Grund. Also doch ein Hirntumor? Nein! Die Vorstellung an ein wildwachsendes Ding in seinem Kopf, ließ Marcus schaudern. Er begann die Tats a chen zur Seite zu schieben. Noch besser, er schüttelte sich, d a mit fiel das Gespräch wie Ballast von ihm ab. Langsam stand er auf und gelangte ohne jegliche Stütze zu seinem Nachttisch. Dieser Fortschritt brachte ihn auf eine Idee. Er nahm seine persönlichen Gegenstände aus dem Nachttisch an sich und warf einen Blick durch die Jalousie nach draußen. Die Sonne schien heute so herrlich, da konnte man unmöglich die Zeit in einem Krankenhaus verbringen. Ohne große Eile öffnete Ma r cus seine Zimmertür. Auf dem in einem hellen Türkis gestr i chenen Flur kam ein Krankenpfleger mit einem leeren Rollstuhl auf ihn zu. „Herr Sonntag! Bitte nehmen Sie Platz. Dr. Schne i der hat eine Untersuchung angeordnet. Ich werde Sie begle i ten.“
„Ich brauche keinen Rollstuhl.“ Augenblicklich fühlte sich Marcus sehr unwohl. Der Gedanke an Flucht schoss ihm durch den Kopf.
„Sie möchten sich bitte setzen!“ Er drückte Marcus energisch in den Rollstuhl. „Wir tragen hier die Verantwortung für unsere Patienten. Ich werde dafür sorgen, dass Sie unversehrt bei Dr. Schneider ankommen.“ Er fuhr mit Marcus den Flur hinunter, dann in einem Fahrstuhl in die fünfte Etage. Wieder ging es einen Flur entlang, diesmal in Hellblau, bis er durch eine offen stehende Tür in einen Untersuchungsraum geschoben wurde. Ein junger Arzt kam auf ihn zu, dabei musterte er mit seinen hellen stechenden Augen Marcus’ Gesicht. „Wie fühlen Sie sich?“
„Um ehrlich zu sein, großartig.“ Marcus stand auf. Dieser Rollstuhl erschien ihm zu albern.
„Das höre ich gern. Bitte nehmen Sie hier Platz.“ Er wies auf einen bequemen Sessel. „Ich werde Ihre Hirnströme messen. Das ist ungefährlich und vollkommen schmerzfrei.“
Eine Assistentin legte Marcus mehrere Gummigurte um den Kopf, unter denen sie kleine Elektroden klemmte.
Marcus fühlte die Ungeduld in sich wachsen, diese Vorbereitung nahm viel Zeit in Anspruch. Während die Schwester in jede der Elektroden ein dünnes Kabel steckte, setzte sich Dr. Schneider neben Marcus auf einen Stuhl. „Ich möchte ehrlich zu Ihnen sein.“ Er knetete seine Lippen. „Der Tumor ist inne r halb weniger Tage gewachsen und dabei in Ihr Rückenmark eingedrungen. Vergleichbares habe ich bisher noch nie ges e hen.“ Er wirkte unentschlossen, sogar verlegen. „Sobald Sie wieder Schmerzen haben, geben Sie mir bitte Bescheid, in Or d nung?“
Marcus nickte. Ihm fiel es schwer, diese Diagnose zu akzeptieren, zumal er nicht den kleinsten Druck in seinem Kopf ve r spürte.
„Gibt es Freunde oder Bekannte, die Ihnen zur Seite stehen?“
Die Schwester zupfte noch immer an seinen Haaren herum. Hin und wieder ziepte es, was Marcus zu ignorieren versuchte.
„Ja, es gibt jemanden.“ Eigentlich gab es niemanden, den er in dieser Situation bei sich wissen wollte, aber das musste er dem Mediziner ja nicht auf die Nase binden. Vielleicht Clara, seine Erzieherin aus dem Heim, doch bestimmt hatte sie keine Möglichkeit zu ihm zu kommen.
„Gut, dann geben Sie mir nachher Namen und Anschrift, ich werde mich darum kümmern.“ Dr. Schneider sah zur Assistentin, „fertig?“ Sie bat noch um einen Moment Geduld.
„Vor allem brauche ich Ihre schriftliche Einverständniserklärung.“ Dr. Schneider legte kurz seine Hand auf Marcus’ Arm. Eisige Kälte überfiel Marcus, der Kerl war ihm so was von u n sympathisch.
„Sie können beginnen.“ Die Schwester trat zur Seite.
„Na dann lehnen Sie sich mal zurück. Entspannen Sie sich.“ Dr. Schneider wandte sich einem großen elektrischen Kasten mit Knöpfen und Schaltern zu. Die Untersuchung dauerte ungefähr eine halbe Stunde. Marcus sollte die Augen die meiste Zeit geschlossen halten, zwischendurch erschien ein flackerndes Licht vor seinen Augenlidern, kurz darauf forderte Dr. Schneider ihn auf, tief ein- und auszuatmen. Während die
Weitere Kostenlose Bücher