Drachenseele (German Edition)
Marcus nebenan die Tür leise zuschnappen hörte. Mit eiligen Schritten verließ jemand das Haus. Marcus knipste einige Fotos. Natürlich drehte sich der Kerl nicht um, so konnte Marcus den Typ nur von hinten fotografieren. Erst als er vorn an der Kreuzung stehen blieb, gelangen Marcus zwei Aufnahmen von der Seite. Allerdings zweifelte er, ob man bei der En t fernung noch das Gesicht auf dem Foto erkennen würde. Dr. Schneider war es jedenfalls nicht, der trug sein Haar kurz. Der Einbrecher hatte langes graues Haar, musste auch mindestens einsneunzig groß sein. Sein Lieblingsarzt war ein ganzes Stück kleiner. Vielleicht einssiebzig.
Mit dem Handtuch um den Hüften schlich Marcus in seine Wohnung zurück. Er schloss hinter sich ab und ließ den Schlüssel stecken, um nicht noch mehr ungebetene Gäste anzulocken. Er suchte sich ein paar Sachen zum Anziehen aus den Umzug s kartons heraus. Zwangsläufig fiel sein Blick zwischendurch auf die Glasscherben. Es blieb ihm rätselhaft, wie er nach Hause gekommen war, vor allem, wie er dem Drogenkonsum von Dr. Schneider entkommen konnte. Diese fehlenden Erinnerungen jagten ihm Angst ein. Vielleicht hatte er jemand verletzt oder gar getötet? Marcus spürte eine erdrückende Last, die anhand der sich auftürmenden Fragen entstand. Er überlegte, ob wir k lich ein Tumor in seinem Kopf wuchs, der neulich diese furch t baren Kopfschmerzen verursacht hatte. Doch warum nahm er jetzt keine Beschwerden mehr wahr? Sein Blick schweifte durchs Wohnzimmer. Er musste herausbekommen, wer die Renovierung seiner Wohnung veranlasst hatte. Es wäre denkbar, dass dieser Einbrecher etwas damit zu tun hatte. Ma r cus besaß nichts Wertvolles, was einen Einbruch rechtfertigte. Doch w o nach suchte der Typ hier? Kein einziger Karton sah durchwühlt aus. So viel Zeit hatte der Kerl auch nicht gehabt. „Was zum Geier wolltest du hier?“, tuschelte Marcus und ging erkundend durch seine Einzimmerwohnung. Plötzlich kam ihm ein G e danke. „Er suchte keinen Gegenstand, er suchte mich! Ve r dammt! Aber warum?“ Marcus’ Mund fühlte sich bei der Übe r legung ganz trocken an. Einen Schluck Wasser aus dem Hahn könnte er jetzt gebrauchen. Wie er ins Badezimmer trat, en t deckte er einen Briefumschlag am Spiegel über dem Waschb e cken. Darauf stand in Schreibschrift geschrieben:
„Dein Körper beginnt vollständig zu werden. Nimm es an und sträube dich nicht dagegen“.
Marcus spürte einen Ruck in seinem Inneren. Die gleichen Worte hatte er vernommen, als er sich beim MRT plötzlich in dieser Höhle befand. Diese Erscheinung hatte er für einen Traum, für Hirngespinste gehalten. Seine Hände zitterten, während er das Klebeband mit dem Umschlag vom Spiegel löste. In der Hoffnung, den Satz besser zu verstehen, las er ihn laut vor.
„Dein Körper beginnt vollständig zu werden. Nimm es an und sträube dich nicht dagegen.“ Was sollte das bedeuten?
Im nächsten Moment sah er deutlich eine Verbindung zwischen den Kopfschmerzen, dem angeblichen Tumor, dieser scheinbaren Höhle und diesem Satz. Erneut murmelte er die Worte vor sich hin. Die Stimme hatte noch mehr zu ihm gesagt, allerdings konnte er sich daran nicht erinnern. Mit Sicherheit fand er die Antwort in diesem Brief. Marcus öffnete den Briefumschlag. Auf einem dicken vergilbten Papier stand ein Wort.
N a r v a l v a r
Das hörte sich fremd an, nordisch vielleicht, doch was sollte es bedeuten? Dieses Wort könnte ein Rätsel sein. Möglicherweise auch ein Ort oder eine Person. Nein. Narvalvar klang nicht nach einem Namen. Das erschien ihm alles zu merkwürdig. Normalerweise entwendeten Einbrecher Gegenstände und ü bermittelten keine Nachrichten, die mehr Fragen als Antworten hinterlassen. Eine seltsame Unruhe fühlte Marcus in sich wac h sen. Schwindel überfiel ihn. Er rieb sich das Gesicht, schluckte mehrmals. In seinen Gedanken wiederholte er dieses Wort. Seine Hände begannen zu kribbeln. Zuerst spreizte er seine Finger, drehte dann die Handflächen nach oben. Daran fand er nichts Ungewöhnliches. Was geschah nur wirklich mit ihm? Welche Vermutungen gehörten zu seinen Phantasien, was en t sprach der Realität?
„Narvalvar!“
Je öfter er es vor sich hin murmelte, umso mehr gefiel ihm dieses Wort, obwohl er nicht den Hauch einer Ahnung besaß, was es bedeuten könnte.
Seit über einer Stunde schaute Marcus permanent auf die Uhr. Nicole
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