Drachenseele (German Edition)
Besseres ein, als seinen Zustand dem Tumor zuzuschieben. Er spürte Claras Hand in se i nem Gesicht. Kein Gummihandschuh? Verdammt, wie viel Zeit war inzwischen vergangen?
„Dr. Schneider? Wie lange wird er noch leiden?“, schluchzte Clara.
„Das ist schwer zu sagen. Vielleicht eine Woche, einen Tag, eine Stunde, ich weiß es nicht.“ Seine Stimme entfernte sich. „Aber sehen Sie, er leidet ja nicht. Mit dem Schmerzmittel wird er friedlich einschlafen.“ Es klackte, möglicherweise das Geräusch einer schließenden Tür. Endlich gelang es ihm, seine Lippen ein wenig zu bewegen.
„Marcus?“ Sie strich mit dem Daumen über seine Oberlippe.
Aus seinem Rachen löste sich ein heiseres ‚ara’.
„Ich bin hier.“ Die Hand in seinem Gesicht blieb. Eine andere Hand ergriff seine Linke. „Wenn ich doch nur etwas für dich tun könnte.“ Clara weinte hörbar. Hätte er sich nicht so hysterisch aufgeführt, dann könnte er jetzt noch seinen Körper b e herrschen und müsste nicht darauf warten, bis man ihn wie ein altes Auto ausschlachten würde. Hoffnung loderte auf. Marcus gelang es ihre linke Hand sacht zu drücken.
„Ich halte dich fest.“ Clara drückte ihrerseits seine Hand. In diesem Moment sah Marcus die letzte Gelegenheit ihr zu verdeutlichen, dass er funktionierte und nur das Medikament ihn in diesen machtlosen Zustand versetzte. Er bemerkte, wie ang e strengt er atmete, nur um Luft zum Sprechen zu sammeln.
„Ganz ruhig, Marcus.“
„Bring mich weg.“ Er japste nach Luft. „nicht krank, bin nicht krank.“ Sein Herz pochte heftig in seiner Brust. Die paar Worte kosteten ihm viel Kraft.
„Ich weiß!“ Sie strich über seine Stirn. Sie glaubte ihm noch immer nicht.
„Andere Klinik, bitte.“
„Gott, Marcus. Erst lehnst du die Bestrahlung ab und dann kämpfst du so erbittert um dein Leben.“ Clara zuckte zusammen, er spürte es an ihrer Hand.
„Ich denke, wir sollten ihm die Schmerzen ersparen.“ Dr. Schneider hatte sie bestimmt durch das Schaufenster beobachtet. Jetzt drohte ihm die nächste Ladung Drogen und führte ihm damit die bittere Wahrheit vor Augen.
„Ich habe eher die Befürchtung er hat wieder Wahnvorstellungen.“
Marcus startete einen letzten verzweifelten Versuch. Er drückte ihre Hand, so fest es nur ging. „Bitte Clara! Bitte!“ Zu spät. Das pelzige Gefühl im Mund kehrte zurück, raubte ihm damit das bisschen Körperbeherrschung.
Vorbei
I n seinem Kopf hämmerte ein pochender Schmerz, genau hinter der Stirn. Ein ungewohnter Geruch stieg ihm in die Nase. Marcus bewegte seine Finger, seine Hand. Seine Glieder fühlten sich steif an. Kein Wunder, so kalt wie ihm war. Deckte man ihn nicht mehr zu? Ihm fiel auf, wie deutlich seine Gedanken heute waren. Er blinzelte, grelles Licht schmerzte in seinen Augen, verschlimmerte seinen Kopfschmerz. Hoffentlich kam das Licht nicht von einer OP-Lampe. Kopfschmerzen? Ve r dammt! Jetzt musste er der Wahrheit ins Auge blicken. Erneut schlug er die Lider auf. Die Helligkeit blendete ihn anfangs sehr. Einige Momente benötigte er, bis er Konturen einer Tür mit Spiegelfliesen darauf erfasste. Da er auf dem Bauch lag, hob er seinen Kopf, um sich ein besseres Bild verschaffen zu können. Der Anblick erinnerte ihn an seine Badezimmertür, in der sich die Sonne spiegelte. Aber das war unmöglich.
Aber nein!
Er befand sich in seiner Wohnung, in der es immer noch nach Farbe roch. Das ging nicht mit rechten Dingen zu. Hatte er das alles nur geträumt oder träumte er in diesem Atemzug? Wie versteinert verharrte er einen Moment, bis er sich aufrichtete. Dabei spürte er viele kleine Stiche in seinem Bauch, in seiner Brust, ja eigentlich am ganzen Körper. Wie er langsam an sich herunter schaute, durchfuhr ihn ein Ruck. Er lag mitten in einem breit verteilten Haufen Glasscherben. Manche Scherben steckten noch in seiner Haut. Er war nackt! Kein Krankenhaushemdchen, keine Unterhose. Er schwenkte seinen Blick auf das Wohnzimmerfenster hinter sich. Die Scheibe war zerbrochen. Für den Augenblick hielt er den Atem an. Es sah beinah so aus, als sei er durch die Scheibe gekommen und lag nun auf den Scherben. Eine merkwürdige Vorstellung, ohne Bekleidung Fensterscheiben zu durchbrechen. In Wirklichkeit lag er b e stimmt noch immer bei Dr. Schneider und diese Situation g e hörte zu einer Halluzination.
Nein!
Seine Gedanken, seine Empfindungen waren zu klar, zu deutlich. Angestrengt begann er nachzudenken, wie er nach Hause, in seine
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