Drachenseele (German Edition)
über den Weg laufen. Ziellos schlenderte Marcus durch die Stadt. Sein knurrender Magen führte ihm seine Situation vor Augen. Er war obdachlos! Seinem Job durfte er auch nicht mehr nachgehen, denn man hielt ihn für tot. Was aber das Schlimmste an seiner Lage war; seine Wohnung, die ihm so viel bedeutete, würde ausgerechnet Thomas leer räumen. Für Marcus eine en t setzliche Vorstellung. Ihm blieb nichts, nur das Leben und die Kleider auf seinem Leib. Nicole könnte ihm weiterhelfen. Doch der Gedanke gefiel ihm nicht. Zu was er auch immer mutierte, er zog sie mit in diese Geschichte hinein. Hier und jetzt war die Möglichkeit, einen Schlussstrich zu ziehen. Er wusste ja selbst nicht, was ihn erwartete. Nicole zuliebe musste er den Kontakt zu ihr abbrechen. Heute Nacht würde er noch mal in seine Wohnung zurückkehren und ein paar Habseligke i ten holen.
Im Haus herrschte gespenstische Stille. Um halbzwei sollten die meisten schlafen. So leise wie es nur ging schloss Marcus die Haustür auf und machte sie vorsichtig hinter sich zu. Wie ein Dieb schlich er die Treppe hinauf. Während er seine Wohnungstür aufschloss warf er einen Blick auf Nicoles Tür. In der kurzen Zeit war sie ihm mit ihrer offenen Art sehr ans Herz gewachsen. Um kein Aufsehen zu erregen, ließ er das Licht in der Wohnung aus. Die Straßenbeleuchtung von unten reichte, um sich zurechtzufinden. Er durchsuchte im Wohnzimmer den Umzugskarton mit seiner Kleidung, damit er zumindest etwas Wechselwäsche besaß. Als neben ihm eine Gestalt aus dem Se s sel hochschoss, blieb beinah sein Herz stehen.
„Ich wusste, dass du kommst.“ Nicole warf sich an seinen Hals, drückte ihn fest an sich und flüsterte „Marcus.“
Heftiger Schwindel machte ihm zu schaffen, sein leerer Magen rebellierte.
„Mein Verstand sagt mir, dass es unmöglich ist ...“, sie schluckte. „Was bedeutet das alles?“
In Marcus brach ein innerer Kampf aus. Seine Gefühle für Nicole überfielen ihn in diesem Augenblick, wie eine Schneelawine. Dieses Mädchen war etwas Besonderes und gerade de s halb musste er jetzt gehen. „Vielleicht bin ich ein Geist.“
„Nein! Du hast dich an den Scherben verletzt. Geister bluten nicht.“ Sie packte seine Hände. Sein Vorhaben schien damit gescheitert. Durch ihre Berührungen fehlten Marcus jegliche Argumente, warum er verschwinden sollte. „Was hat Clara dir erzählt?“
„Oh Gott Marcus, ich verliere den Verstand.“ Tränen liefen über ihre Wangen, die im Schein der Straßenlaterne glitzerten. Er legte seine Hand auf ihr Gesicht. „Bitte nicht weinen. Du musst mir erzählen, was passiert sein soll.“
Sie schluckte, schien sich zu fangen. „Du“, sie schluchzte kurz, „bist letzte Nacht gestorben. Zumindest behauptet das Clara.“ Sie ergriff seine Handgelenke. „Heute Abend haben die Nachrichten von einem tragischen Unfall im Kühlraum des Krankenhauses berichtet. Ein Arzt hat gestern früh schwere Verbrennungen erlitten.“
Marcus fühlte seine Gesichtsmuskeln erschlaffen. Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. Er schloss die Augen, suchte verzweifelt nach Erinnerungen, ob er mit dem Unfall etwas zu tun haben könnte. Andererseits war er ja tot.
Was war das hier, nur ein dämliches Spiel?
Nicole beendete sein Fragenchaos. „Hast du Stones noch am Flughafen getroffen?“
Eine ehrliche Antwort würde Nicole nur noch tiefer in die Angelegenheit mit hineinziehen, genau das versuchte er doch gerade zu verhindern.
„Marcus?“ Sie packte ihn bei den Schultern, als müsse sie ihn festhalten, damit er nicht gehen konnte.
„Ich kapiere das selbst alles nicht. Stones hat mir im Grunde genommen noch mehr Rätsel aufgegeben.“ Er löste sich aus ihrem Griff. „Ich muss hier verschwinden.“
„Wo willst du denn hin?“
„Keine Ahnung.“ Er stopfte ein paar Unterhosen in den Rucksack.
„Falls du es noch wissen möchtest, Stones hatte deinen Umzug organisiert sowie die Malerfirma beauftragt. Was dich alle r dings besonders interessieren dürfte, er hat deine Wohnung auf seinen Namen gemietet und für zwei Jahre im Voraus bezahlt.“
Nicole nahm seinen Rucksack aus seiner Hand, stellte in auf den Boden ab. „Clara hat Thomas mit deiner Wohnungsauflösung betraut. Ich könnte ihm vorschlagen, dass ich mich darum kümmere, dann kannst du hier bleiben.“
Marcus begann über dieses verlockende Angebot nachzudenken. Zumindest klang das besser als obdachlos durch die G e gend zu irren.
„Und mein Job? Ab
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