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Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Titel: Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Alderwood
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nicht verknüpft oder abgeschnitten werden! Die Elstern bringen die Lebenslinien unzähliger Menschen durcheinander! Und die von Wesen aus der Anderswelt auch!«
    »Weißt du was, Nuffl? Das ist mir völlig egal! Aber wenn es dir so wichtig ist, warum fliegst du nicht rauf zu dem Nest und holst die Fäden herunter? Ich bringe das Garn dann hinein zu den Nornen, wenn du dich absolut nicht bei den alten Frauen blicken lassen willst!«
    Der Elf rutschte unruhig auf Geruns Schulter hin und her. »Das ist es ja gerade! Ich kann da nicht hinfliegen!«
    »Und warum nicht?«
    »Diese Biester haben lange scharfe Schnäbel! Und sie sehen mich! Ich habe es schon mehrmals versucht! Die Elstern hacken nach mir! Du musst dort raufklettern und das Nest herunterwerfen!«
    Ungläubig schielte Gerun hinunter auf den Elf. Sie sah nicht viel mehr als die breite Hutkrempe, die Haarbüschel auf den Ohrspitzen und die kleinen Füße, die sich mit den Stiefelhacken in die Wölbung ihrer Brust stemmten.
    »Ich soll auf diesen hohen Baum steigen? Ich könnte zu Tode stürzen! Warum sollte ich so etwas Unvernünftiges tun?«
    »Weil ich dir und Nadif das Leben gerettet habe. Nadif hat sich verdrückt. Bleibst nur du übrig!«
    Gerun öffnete den Mund zu einer Antwort, klappte ihn dann aber mit einem Seufzer gleich wieder zu. Bedächtig drehte sie sich um und musterte den Baum, den ihr der Elf gewiesen hatte. Das Elsternest war aus der Entfernung nicht zu erkennen. Anfangs noch zögerlich, einige Schritte später schon recht entschlossen, steuerte Gerun auf  die mächtige Silbereiche zu.
     
    »Höher! Du musst höher klettern!« Nuffl flatterte neben Gerun durch das Geäst und blickte immer wieder ängstlich nach oben.
    »Lass’ mich bloß in Ruhe!«, murmelte Gerun und tastete nach dem nächsthöheren Ast. Sie hatte klugerweise ihr Kleid ausgezogen, bevor sie sich an den Aufstieg gewagt hatte, der weite Rock hätte sie nur behindert und wäre in den Zweigen hängengeblieben. Das kurze, ärmellose Unterkleid war zwar auch nicht unbedingt die geeignete Kleidung für eine Klettertour, aber selbst wenn ihr Verstand ihr sagte, dass sie sich vor einem Elf, der ihr nur bis zum Knie ragte, nicht sonderlich genieren musste, wollte sie sich ihm nicht völlig nackt präsentieren. Außerdem zerkratzten die Zweige der Silbereiche ihr die Haut von Armen und Beinen, und Gerun war froh, dass wenigstens eine dünne Lage Stoff ihren Leib schützte.
    Sie schaute nicht nach unten, weil sie wusste, dass unter ihr ein Abgrund gähnte. Falls sie den Halt verlor oder ein Ast unter ihr brach, würde sie zu Tode stürzen. Vielleicht saß drinnen im Haus schon die Norne der Zukunft, hielt Geruns Lebensfaden in der Hand und griff soeben nach der Schere, um ihn abzuschneiden.
    Gerun verbannte derlei Gedanken aus ihrem Kopf und zwang sich, sich nur darauf zu konzentrieren, wie sie den nächsten Ast erreichen konnte. Über sich in dem dichten Blätterdach hörte sie die schnarrenden Rufe des Elsternpaares.
    »Fort! Fort, ihr Ungeheuer!«, quiekte Nuffl und legte die Flügel an. Er sackte nieder wie ein Stein und verschwand aus Geruns Blickfeld. Dafür sah sie plötzlich ganz nahe das schwarz-weiße Gefieder einer Elster aufblitzen. Mit wütendem Krächzen folgte der Vogel dem Elfen. Gerun vermied es tunlichst, nachzusehen, welches Gefecht Elf und Elster miteinander ausfochten. Dazu hätte sie nach unten blicken müssen, und angesichts der Höhe, in der sie sich befand, wäre ihr garantiert übel geworden. Das passierte ihr die letzten Tage öfter, vielleicht lag es an der stetig nachwachsenden Suppe der Nornen. Es mochte sein, dass dieses gehaltvolle Essen nur für die Mägen von Wesen aus der Anderswelt konzipiert war.
    Sie sah das Nest kaum eine Armlänge von sich entfernt auf einer Astgabel. Kunstvoll konnte man den Bau nicht nennen, aber das Gewirr aus Ästen und Zweigen wirkte stabil. Die Mulde im Inneren war für den künftigen Nachwuchs sorgsam mit Moos und Federn ausgepolstert worden. Mit Moos – und dazwischen sah Gerun die Wollfäden der Nornen. Die Götter mochten wissen, wie es den Elstern gelungen war, den alten Frauen das Garn zu stehlen, verließen diese doch so gut wie nie ihre Spinnstube, und wenn, dann schon gar nicht mitsamt ihrem Arbeitsmaterial.
    Es gab nur ein Problem: Auf dem Rand des Nestes saß jene Elster, die sich nicht an der Verfolgung Nuffls beteiligt hatte und glitzerte Gerun aus klugen schwarzen Knopfaugen misstrauisch an. Vielleicht war

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