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Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Titel: Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Alderwood
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erkunden. Janica hegte schon seit frühester Kindheit den Verdacht, dass den Göttern das Treiben der Menschen schlichtweg egal war. Sie hatten offensichtlich andere Sorgen, als sich mit den Nöten von fremden Leuten zu beschäftigen.
    Jetzt legte der Weißgekleidete auch noch seine Hand auf ihren Kopf, schloss die Augen und murmelte unverständliche Worte vor sich hin. Janica entwand sich dem Griff des Priesters und starrte ihn böse an. Sie wollte schon sagen, dass sie der Segnungen, die er da brabbelte, nicht bedürfe, da erhielt sie von einem Soldaten einen Stoß in den Rücken.
    »Halt’ still, Zauberweib! Der Priester muss deinen bösen Blick bannen, damit du uns nicht verfluchen kannst!«
    Verblüfft sah sie sich zu dem Reisigen um: »Das glaubst du doch selber nicht, oder? Wenn ich wirklich magische Kräfte hätte, stände ich wohl kaum noch hier!«
    Der Mann wich ihrem Blick aus. »Wir müssen gehen!«, sagte er. Janica spürte, wie sich ihre Angst ganz allmählich in Zorn verwandelte. Das war gut. Mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch ließ es sich würdevoller sterben als schlotternd vor Furcht.
     
    Eine Staatskarosse war es nicht gerade, mit der Janica zu dem Platz vor der Sultansstadt gefahren wurde, auf dem das Spektakel ihrer Hinrichtung stattfinden sollte. Immerhin hatte man eine Schütte Stroh auf den Karren geworfen, der von einem müden Maultier gezogen wurde. Janica fand das sehr rücksichtsvoll. So würde sie wenigstens nicht von blauen Flecken und Blutergüssen verschandelt zu Tode kommen, denn das alte Gefährt holperte entsetzlich über die Wege des Palastgartens und schließlich durch die Straßen der Stadt. Eskortiert von einem ganzen Zug Reisiger, bewaffnet mit gefährlich blitzenden Hellebarden, und dem unvermeidlichen Priester, gelangte die traurige Prozession schließlich auf das freie Gelände jenseits der Häuser.
    Janica staunte. Welch ein Aufwand ihretwegen! Man hätte meinen können, hier fände ein riesiges Volksfest statt! An den Ständen, an denen für jedermann kostenlos Suppe und arg verdünnter Maulbeerwein ausgeschenkt wurde, drängten sich die Leute, und an den Gewändern sah man, dass nicht etwa nur die Ärmsten das großzügige Angebot des Sultans anlässlich der Verbrennung der Zauberfrau annahmen. Aber auch die Händler, die ihre Buden aufgestellt hatten und süßes Brot, gebratenes Geflügel und süffigen Rotwein auslobten, schienen keine schlechten Geschäfte zu machen.
    Waffenknechte machten eine Gasse für den Karren mit der Verurteilten frei. Mit ihren Hellebarden mussten sie die drängelnden Menschen zurückhalten, die aus nächster Nähe eine Blick auf das gefährliche, zauberkundige Weib werfen wollten. Einem etwa zehnjährigen Jungen gelang es, zwischen den Beinen eines Soldaten durchzuschlüpfen und sich an Janicas Karren zu hängen. Geradezu fasziniert starrte er zu ihr hinauf.
    »Verschwinde, oder ich verwandle dich in einen Wurm!«, zischte sie ihm zu. Erschrocken ließ der Knabe den Holm los, an dem er sich festgeklammert hatte und stürzte dem Priester geradewegs vor die Füße. Ein Gewirbel aus weißen Tüchern und Staub verriet Janica, dass der Junge den Priester zu Fall gebracht hatte. Sie grinste zufrieden. In ihrer Situation konnte sie jede Aufmunterung gebrauchen. Doch dann sah sie das Ziel ihrer letzten Reise.
     
    Kaum zu glauben, dass dieser riesige Scheiterhaufen für eine einzige Frau aufgetürmt worden war! Janica kam der Gedanke, dass man mit dieser gewaltigen Menge Holz selbst ein riesiges Vieh wie den Drachen rösten konnte. Nur dass dieser ihr heute wohl nicht den Gefallen tun würde, hier aufzutauchen und die versammelte Menschenmenge zu erschrecken!
    In gebührendem Abstand zu der Richtstatt hatten Handwerker eine Tribüne für die vornehmen Zuschauer des makabren Schauspiels gezimmert. Für den Sultan und Prinz Anadid waren bequeme Sessel ganz vorn an der Balustrade aufgestellt worden, der Herrscher und sein Sohn wurden umringt von wichtig dreinschauenden, meist älteren Männern. Etwas weiter hinter saß eine schreiend bunt gekleidete Schar Frauen, die tuschelnd die Köpfe zusammensteckten. Die Haremsfrauen von Werid und Anadid bekamen heute eine außergewöhnliche Zerstreuung geboten.
    Etwas abseits von den anderen Frauen entdeckte Janica Waja. Die Hohe Frau saß wie versteinert auf ihrem Sessel und hielt Inna im Arm. Hinter ihr standen Nadana und La’ad. Da der Karren jetzt genau vor der Triubüne angehalten wurde, gelang es

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