Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
nicht mehr so hübsch aussehen wie in jenen Tagen bevor er die Idee hatte, dem Drachen im Wege zu stehen!«
Nachdenklich schaute Gerun auf den Elf herab. »Warum hilfst du uns eigentlich?«
»Weil die Geschichte sonst jetzt schon zu Ende wäre, Menschin Gerun! Dieser Nadif würde hier am Fieber sterben, du würdest dich verirren und von einem Bären gefressen. Das wäre doch kein glückliches Finale, nicht wahr?«
»Aber das könnte dir doch völlig egal sein, Nuffl!«
»Nicht ganz, Menschin, nicht ganz!« Der Elf wackelte geheimnisvoll mit dem Finger, seine Konturen verblassten und Gerun konnte durch ihn hindurch die kleinen weißen Blumen sehen, die er im Sitzen niedergedrückt hatte.
»Halt, Nuffl, du kannst doch nicht einfach so verschwinden!«
»Doch, das kann ich, wie du siehst!« Ein kleiner Nebelhauch, und der Elf war völlig unsichtbar. Nur sein Lachen klang noch eine Weile durch die Dunkelheit.
Gerun wickelte sich ihren Rock um die Hände, um den Topf vom Feuer zu heben. Der Teesud roch widerlich bitter. Ob der Elf Nadif damit vergiften wollte? Nein, einen solch unnötigen Aufwand traute Gerun nicht einmal einem Wesen aus der Anderswelt zu. Nadif lag auf den Tod nieder, ohne ein Wunder würde er sowieso sterben. Vielleicht schwamm ja dieses Wunder in dem Kräutertopf!
Sie kniete neben Nadif nieder. Wie sollte sie ihm den Sud nur einflößen? Der kräftige Mann war viel zu schwer, als dass sie ihn hätte in eine sitzende Position hätte bringen können. Sein Kettenhemd trug er auch noch, wie gern hätte Gerun ihn von dieser Last befreit, aber ohne Nadifs Hilfe konnte sie ihm dieses störrische Ding nicht ausziehen. Das ließ sich nicht ändern, aber zumindest konnte sie die Wunde verbinden.
Gerun raffte ihren Rock und riss von dem leinernen Unterkleid mit Hilfe ihres Messers einige schmale Streifen ab. Wie es ihr der Elf geraten hatte, legte sie vorsichtig frische Wegerichblätter auf das nässende Fleisch an Nadifs Wange und mühte sich, nicht an die Fliegeneier zu denken, die an diesen Hautfetzen voller Eiter klebten. So sanft sie es vermochte, wickelte sie die Binden um Nadifs Kopf, trotzdem zuckte der im Fieberwahn gefangene Mann mehrmals zusammen und stöhnte laut auf.
Erneut opferte Gerun ein Stück ihres Unterkleides, es blieb kaum mehr als ein Leibchen davon übrig. Mit dem Rest Wein tränkte sie die Hälfte des Leintuches und legte es vorsichtig auf Nadifs Stirn. Auch hier lösten sich jetzt einige Brandblasen. Nuffl hatte nicht viel von dem Wein übriggelassen, den allerletzten Schluck trank Gerun jetzt selbst. Es reichte kaum, die Kehle zu netzen. Wenn der Elfentee abgekühlt war, würde sie ihn in den Schlauch füllen. Der Topf schien ihr zu unsicher für die Aufbewahrung des kostbaren Getränks, wie schnell konnte er versehentlich umgestoßen werden!
Mit dem Zeigefinger fühlte Gerun, ob der Sud noch zu heiß war. Der Finger zerkochte nicht, die Haut fiel nicht vom Knochen. Gut! Sie leckte den Tee von ihrer Fingerkuppe. Der Trank schmeckte längst nicht so widerlich, wie er roch. Auch gut! Gerun tunkte das letzte verbliebene Stück Stoff in den Topf. Dann betupfte sie Nadifs aufgesprungene Lippen mit dem nassen Tuch. Er öffnete instinktiv den Mund. Gerun drückte das Tuch ein wenig aus, Tropfen für Tropfen des Gebräus ließ sie in Nadifs Mund rinnen. Er durfte sich nicht daran verschlucken! Das war schwierig, so flach wie er am Boden lag. Sie rutschte eng neben ihn und bettete mit einiger Mühe sein Haupt in ihren Schoß. So ließ sich Nadif der Tee bedeutend besser einflößen. Wehmütig dachte sie an die wonnesüßen Nächte, in denen sie Nadifs Kopf auf ganz andere Weise zwischen ihren Schenkeln gespürt hatte, sein Haar, das ihre empfindliche Haut kitzelte, seine Zunge, die den Nektar aus ihrer Blüte leckte …
Geduldig tauchte Gerun ihren Lappen ein, beträufelte Nadifs Zunge, wieder und wieder. Ab und zu schluckte er artig. Irgendwann schlief Gerun in seltsam verrenkter Position ein. Sie war zwei Tage und Nächte nicht zur Ruhe gekommen. Der Schlaf forderte sein Recht.
17.Kapitel: Harems-Frühstück
Avid hatte schlecht geschlafen. Das Geschenk seines Vaters bereitete ihm Kopfschmerzen. Was sollte er mit einer Frau! Er hatte einfach keine Zeit für einen solchen Unfug! Schon wurde der Seidensegler im Hafen von Nurripur wieder für die nächste Fahrt gerüstet. Avid brannte darauf, die Laderäume füllen zu lassen und wieder in See zu stechen. Allerdings saß
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