Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)
sie tiefer, damit sie fest und gerade in der gefährlichen Substanz stand. Mit etwas Glück blieb ihm jetzt die Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.
Der Koch stolperte durch die Finsternis des Laderaumes zurück zur Ladeluke und tastete sich die Treppe nach oben. Zunächst hob er die Klappe nur um einen winzigen Spalt an, um hinauszuspähen. Noch immer standen alle Matrosen an back- und steuerbord an der Reling und stakten das Schiff mittels der Stangen an den Felsen entlang. Kapitän Thalid hielt das Steuerrad fest umklammert und starrte nach vorn zum Bug, um kein Zeichen des Prinzen zu übersehen. Das wurde immer schwieriger, denn die Nacht sank herab und erste Sterne flammten wie ferne Feuer am Firmament auf. Knapp über dem Horizont konnte man die Sicheln der beiden Monde aufsteigen sehen.
Es gelang dem Kahlköpfigen fast lautlos, den Frachtraum zu verlassen. Das leise Klacken der sich schließenden Luke ging in den schabenden Geräuschen unter, die von den Staken auf dem Gestein der Klippen verursacht wurde. Der Koch lief geduckt zum Heckaufbau, in dem sich die Kajüten von Avid und Thalid befanden. Vor einigen Tagen hatte er ein dünnes Seil außen unter den Heckfenstern, die zu der Unterkunft des Prinzen gehörten, angebracht. Er hoffte, dass niemand diese Leine entdeckt, und wenn, ihr dann zumindest keine Bedeutung zugemessen hatte.
Einen Moment lang presste er sich gegen die hölzerne Wand und lauschte. Hatte Thalid ihn gesehen? Schließlich stand der Kapitän kaum zwei Mannslängen von ihm entfernt oben auf dem Heck! Nein, Thalid konzentrierte sich ganz und gar auf den Prinzen und die Felsgasse. Zielstrebig huschte der Koch nun in Avids Kajüte und drückte die Fensterflügel auf. Der aufgerollte Strick baumelte noch immer am Fensterkreuz, wo er ihn in einer gewagten nächtlichen Kletteraktion von einem anderen Boot aus festgebunden hatte. Er atmete tief auf und griff danach.
Obwohl er wusste, dass das Schiff jeden Augenblick in abertausend Stücke zerfetzt werden konnte, nahm er sich Zeit für seinen Abstieg an der hohen Wand des Hecks. Jede hastige Bewegung konnte Aufmerksamkeit erregen. Endlich erreichte er das Wasser. Es war nicht ungefährlich, hier gleich neben dem Ruderblatt ins Meer zu gleiten. Die Strömung drückte das Schiff vorwärts, auch diesem Sog musste er entkommen. Der Gedanke an die brennende Kerze im Laderaum ließ ihn den Mut finden, sich kräftig abzustoßen und zu schwimmen. Er war ein guter Schwimmer, und er schwamm jetzt um sein Leben.
Der Jubel der Männer, als die Brigantine zwischen den letzten Felsnadeln hinausschoss auf die offene See, erreichte ihn, als er sich keuchend und völlig erschöpft auf eine Klippe zog. Das Schiff war inzwischen nicht mehr als ein dunkler Schemen, erleuchtet von den Bordslaternen.
Sein Herz hämmerte schmerzhaft gegen die Rippen und er schnappte nach Luft. Immerhin, er lebte noch. Hoffentlich ging auch der Rest seines Planes auf. Im ungünstigsten Fall war die Kerze einfach erloschen und all seine Mühe war umsonst gewesen. An diese Möglichkeit mochte er lieber nicht denken. Sein Auftraggeber war bekannt dafür, Fehler nicht zu verzeihen. Gebannt starrte er dem in die Nacht entschwindenden Schiff nach.
Er musste noch eine ganze Weile warten, bevor endlich ein roter, einer aufblühenden Blüte gleichender Feuerball über das Wasser gleißte. Der Donner der Detonation erreichte seine Ohren erst viel später.
24.Kapitel: Schatten des Todes
Avids Anspannung wuchs mit jedem Augenblick. Die Nacht kam viel zu schnell, er konnte die Felsen im Wasser kaum noch erkennen. Er wusste, dass die Fahrt des Schiffes durch dieses Nadelöhr aus spitzem Gestein dem Tanz auf einem dünnen Seil über einem Abgrund glich. Die Männer hinter ihm gaben ihr Bestes, um den Schiffsrumpf von den Klippen fernzuhalten. Da, endlich, sah Avid die dunklen Schatten der letzten Felsbrocken im Wasser schimmern. Der Weg war frei! Avid atmete auf und hob zum Zeichen, dass die Windjäger jetzt in tiefes Wasser glitt, beide Arme nach oben.
Es war, als ginge ein Aufatmen durch das gesamte Schiff. Nicht nur bei den Matrosen löste sich die Anspannung durch laute Freudenschreie, selbst der Schiffsrumpf schien sich knarrend und seufzend von der Angst zu lösen, auf felsigem Grund zu zersplittern. Jetzt lag vor ihnen nichts anderes als die Weite des Ewigen Meeres. Mit gutem Wind und etwas Glück konnte die Brigantine in drei Tagen Jeffilo an der Küste des Festlandes erreichen.
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