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Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition)

Titel: Drachenspeise: 1 (Ein Märchen für große Mädchen) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Alderwood
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ab. Er führte die Tiere die Mauer entlang auf die Rückseite der Grenzfeste. Gerun konnte fühlen, wie das lethargische Ross unter ihren Schenkeln sichtlich auflebte und sich zu einer schnelleren Gangart hinreißen ließ. Es musste das Wasser riechen.
    Aus einem dünnen Rohr, das durch die Mauerquadern der Befestigungsanlage führte, floss tatsächlich ein spärlicher, aber stetiger Wasserstrahl in eine Art steinernen Trog, der gut drei Mannslängen maß und so breit wie ein Backtrog war. Nadif brauchte die Pferde nicht mehr zu führen, sie stapften zielstrebig an ihm vorbei und senkten ihre Mäuler in das erfrischende Nass.
    »Komm, lass' dir vom Pferd helfen!« Nadif streckte Gerun die Arme entgegen. Sie war durchaus in der Lage, allein aus dem Sattel zu gleiten, aber angesichts der beiden verhüllten Gestalten, die inmitten einer Herde von gut zwei Dutzend Ziegen im Schatten der Mauer lagerten, war sie froh, Nadifs starke Hände auf ihren Hüften zu spüren. 
    »Was sind das für Leute?«, flüsterte sie Nadif zu. Die beiden Männer - Gerun nahm einfach an, dass es Männer waren, denn eine Frau würde sich keinesfalls durch irgendeine Kleidung freiwillig derart verunstalten - trugen lange, schwarze Kittel, die ihre Körper vollständig verhüllten. Fast vollständig, denn nackte, sehnige Füße in Bastsandalen ragten darunter hervor. Von den Gesichtern waren nur die Augen zu sehen, die Köpfe verbargen sich unter schwarzen Stoffbahnen, kunstvoll verflochten und verknüpft. Sinn und Zweck dieser Vermummung war wohl der gleiche, mit dem Gerun und Nadif die Streifen des Lakens über Kopf und Gesicht gewunden hatten  - Schutz vor der sengenden Sonne und dem Staub, der ständig in Mund und Nase eindrang. Bei den Fremden sah dieser praktische Kopfschutz allerdings bedeutend besser aus, wirkte zugleich aber auch unheimlich.
    »Das sind die Hirten, von denen der Posten gesprochen hat. Ich bin ganz froh, dass sie hier sind. Sie können dich zur nächsten Siedlung begleiten, Gerun!«
    »Du willst mich tatsächlich zurücklassen, Nadif? Bei diesen zwielichtigen Schmutzfinken da? Sie stinken bis zu uns hierher!« Gerun warf einen verzweifelten Blick auf die Hirten. Die besahen sich offenbar gerade in aller Ruhe die Neuankömmlinge. Die Ziegen und zwei struppige Ponys weideten rings um sie herum genüsslich das vom Brunnenwasser genährte fette Gras ab.
    »Gerun, du musst die Burschen ja nicht gleich heiraten! Sie sollen dich nur in Sicherheit bringen. Nach zwei Tagen bist du sie wieder los und kannst im Gasthof von Haraffin ein Bad nehmen. Die Stadt ist nicht groß, aber sie kann dir alle Annehmlichkeiten bieten, die du brauchst!«
    »Ich brauche keine Annehmlichkeiten, ich brauche dich, Nadif!«, sagte Gerun leise. »Ich habe sonst niemanden ...«
    »Scht!« Er legte ihr einen Finger auf den Mund. »Du wirst einen braven Mann finden und das alles hier schnell vergessen! Mich auch! Glaube mir, es ist besser so!«
    Gerun holte tief Luft zu einer Erwiderung, blieb aber dann doch stumm. Sie war es nicht gewohnt zu widersprechen, schon gar nicht einem Mann, einem Krieger wie Nadif. Ein dicker Kloß verstopfte ihren Hals. Da hatte sie diesen Kerl in seinen angstvollen Fieberträumen auf ihrem Schoß gewiegt, hatte ihm die Stirn gekühlt und Nuffls Tee eingeflößt. Aber das zählte nicht. Er wollte sie loswerden. Stumm verschränkte die junge Frau ihre Finger ineinander und presste sie zusammen, bis es schmerzte.
    »Ruh' dich aus, Gerun, ich werde diese Männer fragen, ob sie dich gegen einen kleinen Obulus nach Haraffin bringen!« Nadif wies mit einladender Geste auf das dichte, saftige Gras, das die Pferde längst genießerisch zu rupfen begonnen hatten. »Du musst wissen, die Grenzfeste ist um einen artesischen Brunnen gebaut. Der Brunnen spendet ganz von selbst und stetig Wasser. Was in der Festung nicht gebraucht wird, leitet man nach draußen in diesen Trog, der schließlich überläuft und das Gras nährt.«
    Gerun starrte Nadif an und schüttelte kaum merklich den Kopf. Es interessierte sie kein bisschen, was die Leute hier mit ihrem Wasser anstellten. Und es war ihr herzlich egal, ob das Gras durch einen - wie war das doch gleich?- artesischen Brunnen schön feucht gehalten wurde. Sie zog sich die Stofffetzen vom Kopf und kniete sich vor die Viehtränke, um mit beiden Händen Wasser zu schöpfen und es sich über das Gesicht und den Hals rinnen zu lassen. Dann setzte sie sich still neben die Pferde und sah zu, wie die

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