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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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er wollte wissen, wo seine Schwester war, was sie ihr vorwarfen, wie er ihr helfen konnte. Er mühte sich nach Kräften, seine Nervosität zu verbergen, saß aufrecht, den Rücken durchgedrückt, die Hände auf die Oberschenkel gelegt. Er spürte, wie sie feucht wurden.
    Â»Das heißt, dass wir auf dem Weg zu einem Sozialismus unter chinesischen Vorzeichen niemanden zurücklassen dürfen.« Sein Körper entspannte sich ein wenig, so ähnliche Sätze hatte er von einer Ansprache des Premierministers in Erinnerung.
    Â»Sie meinen, dass es in China heute zu viele Reiche und zu viele Arme gibt. Verstehe ich Sie richtig?«
    Der Schweiß rann ihm aus den Achselhöhlen den Oberkörper hinunter. Der Hustenreiz wurde schlimmer. Gehörte Lu zu den Linken oder den Rechten in der Partei? Zu den Konservativen oder den Reformern? Xiao Hu erinnerte sich vor Aufregung nicht mehr, in welchem Ruf der Funktionär stand und was in diesem Fall die richtige Antwort war.
    Â»Zu viele Reiche will ich nicht sagen, aber auf jeden Fall zu viele Arme, oder nicht?«, erwiderte er vage.
    Lu schmiss enttäuscht eine Packung Zigaretten auf den
Schreibtisch. »Was bedeutet ›oder nicht‹?«, fragte er verärgert. »Selbstverständlich gibt es zu viele Arme. Viel zu viele. Sie überraschen mich. Ich hatte eine klarere Aussage von Ihnen erwartet.«
    Test nicht bestanden, dachte Xiao Hu und wusste, dass das nur der Anfang gewesen war. Dieser verdammte Husten, er versuchte, ihn herunterzuwürgen, schluckte, kniff die Lippen zusammen, presste die Zunge an den Gaumen, was manchmal half, jetzt jedoch alles nur noch schlimmer machte. Xiao Hu wandte sich ab, hielt beide Hände vors Gesicht und hustete, als würde gleich seine Lunge platzen. Lu beobachtete ihn ungerührt und wartete, bis der Anfall vorüber war.
    Â»Was machen Ihre Wohnungen? Wie viele sind es jetzt?«
    Es dauerte einige Sekunden, bis Xiao Hu den Sinn der Frage begriff.
    Â»Drei«, antwortete er noch immer hüstelnd. »Sie sind vermietet.«
    Â»Wollten Sie die nicht verkaufen?« Die Süffisanz in dieser Stimme.
    Â»Nein, ich spekuliere nicht mit Immobilien«, behauptete Xiao Hu, der genau wusste, dass seine Antwort nicht interessierte. Lu wollte ihn lediglich verunsichern, ihm zeigen, dass er über alles informiert war, dass jeder Versuch, der Partei etwas zu verheimlichen, sinnlos war. Er stieß keine Drohungen aus, seine Andeutungen genügten, und das wusste er.
    Statt etwas zu erwidern, betrachtete der Parteikader seine Hände, zog der Reihe nach an jedem Finger, bis es knackte. »In Ihrer Familie hat es einen tragischen Unglücksfall gegeben. Ihre Mutter ist schwer erkrankt«, sagte er unvermittelt.
    Â»Ja«, bestätigte Xiao Hu mit erschöpfter, flacher Stimme.
    Â»Was ist geschehen?«

    Die nächste Falle. Wenn er vom Zustand Min Fangs wusste, kannte er jede Einzelheit ihres Leidens. Lu wollte nur hören, wie Xiao Hu die Situation beschreiben, welche Worte er wählen würde, auf wessen Seite er stand.
    Â»Die Ärzte«, hob er an, »haben einen Gehirnschaden festgestellt. Sie ist gelähmt, erblindet und taub. Es gibt keine Hoffnung auf Besserung.«
    Â»Stimmt es, dass einige Mitglieder Ihrer Familie für die Erkrankung äußere Umstände, um genau zu sein, einen Chemiekonzern, verantwortlich machen?«
    Xiao Hu nickte stumm. Das war der Augenblick, den er gefürchtet hatte. Der Moment, in dem er etwas einwenden musste. »Es gibt Hinweise …«, begann er vorsichtig.
    Â»Was für Hinweise?«, fuhr Lu dazwischen.
    Â»â€¦ dass meine Mutter vergifteten Fisch gegessen hat, dass der See, aus dem dieser Fisch stammt, verseucht ist. Wir suchen die Wahrheit in den Fakten.« Noch nie hatten ihn zwei Sätze solche Kraft gekostet.
    Â»Wer ist wir?« Lu ignorierte seine Anspielung
    Er wollte sie nicht verraten. Großer Bruder. Kleine Schwester. Er trug Verantwortung für sie. »Versprich mir, dass du auf Yin-Yin Acht gibst, wenn wir nicht mehr da sind«, hatte seine Mutter ihn oft gebeten. Warum saß seine Schwester jetzt nicht neben ihm? Ein Blick würde genügen, um zu wissen, dass er nicht alleine war. Wie früher, wenn Da Long im Ärger über die Kinder seine Stimme erhob. Verbündete, so unterschiedlich sie auch waren.
    Â»Wer ist wir? Sie und Ihre Familie? Oder nur Ihre Familie?«
    Er hatte ihn

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