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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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Reservierung nicht finden«, sagte sie tonlos, und Paul ertappte sich dabei, dass er in ihrer Mimik nach Zeichen der Unwahrheit suchte.
    Er brachte seine Sachen aufs Zimmer und rief Chen an.
    Â»Herr Leibovitz, wo sind Sie?«
    Â»In Shanghai, nicht weit von Ihrem Büro.« Er hätte auch sagen können: Ich kann in ein paar Minuten bei Ihnen sein.
    Â»Es tut mir leid, ich habe überhaupt keine Zeit.«
    Â»Später vielleicht?« Paul wollte sich seine Enttäuschung nicht anmerken lassen.

    Â»Nein, den ganzen Tag nicht.«
    Keine Zeit, dachte Paul, das gab es nicht. Zeit war ausschließlich eine Frage von Prioritäten. Hatte er sich in Chen getäuscht, war in der Zwischenzeit etwas vorgefallen, oder verlangte an diesem Tag wirklich ein anderer Fall seine ganze Aufmerksamkeit? »Schade. Und morgen?«
    Â»Bin ich in Beijing. Aber ich habe eine Nachricht für Sie. Gestern Abend sprach ich mit meinem Kollegen Gao in Yiwu. Er sagte, Sie sollten sich unbedingt noch einmal mit diesem Journalisten in Yiwu treffen. Der hat sehr gute Kontakte in der Stadt und weiß wahrscheinlich mehr, als er Ihnen beim ersten Mal gesagt hat. Vor einer guten Stunde rief mich Gao noch einmal an und erzählte, dass Wang außer sich vor Wut gewesen sei, als er von Yin-Yins Verschwinden erfuhr. Er glaubt, dass Wang Ihnen helfen kann. Wenn er will. Haben Sie seine Nummer?«
    Â»Ja. Und Sie haben wirklich …?«
    Â»Nein.«
    Paul ärgerte sich, noch einmal gefragt zu haben.
    Nach dem Gespräch saß er eine Weile ratlos in seinem Zimmer. Der Raum war so klein, dass kaum mehr als ein Bett, der Schreibtisch und ein Schrank hineinpassten, einen größeren Koffer hätte er auf dem Bett aufmachen müssen. Das Fenster führte in einen Lichtschacht. Die Klimaanlage rumpelte wie ein altes Dieselaggregat. Hier würde er es nur die Nacht über aushalten, den Rest des Nachmittags wollte er lieber durch die Stadt streifen.
    Vor der Tür lungerten Taxifahrer herum, die ihn sofort bedrängten. Nein, er brauche keinen Fahrer. Nein, auch heute Abend nicht. Nein, auch keine Billig-billig-Massage. Paul überquerte eine kleine Brücke, die über den Fluss führte, blieb in der Mitte stehen, lehnte sich an das Geländer,
betrachtete das trübe Wasser. Es war ein sehr warmer, später Frühlingstag. Die Luft war schlechter als vor einer Woche, braungraue Wolken aus Dunst und Abgasen umhüllten die Spitzen der Wolkenkratzer Pudongs.
    Sein Handy summte, Paul zuckte zusammen, als hätte ihn von hinten ein Unbekannter angesprochen. Eine Kurzmitteilung, »Xiao Xin« stand auf dem Display. Kleines Herz. Ohne Erklärung, ohne Namen. Er kannte die chinesische Wendung und ihre Bedeutung: Es konnte der freundliche Gruß eines Bekannten sein oder eine versteckte Warnung. Wer mochte sie ihm geschickt haben? Yin-Yin? Sehr unwahrscheinlich. Xiao Hu? Paul drückte die Nummer des Absenders.
    Â»Hallo.« Eine tiefe, unbekannte Männerstimme.
    Â»Haben Sie mir eben eine Kurzmitteilung geschickt?«
    Schweigen.
    Â»Wer sind Sie?«, fragte Paul ins Rauschen.
    Schweigen. Lautes, gleichmäßiges Atmen.
    Â»Wer sind Sie?«, wiederholte er.
    Keine Antwort.
    Paul legte auf; keine Minute später die zweite SMS. »Xiao Xin.«
    Woher wusste der Absender seine Handynummer und dass er sich in der Stadt befand? Er dachte an Yin-Yin; sie war die einzige, die ihn in ernsthafte Schwierigkeiten bringen könnte. Wenn sie behauptete, alles wäre seine Idee gewesen und sie hätte nur auf Anweisung gehandelt … Ein abstruser Gedanke, der ihm sogleich unangenehm war und den er sich nur mit seiner Anspannung erklären konnte. Paul musste sich eingestehen, dass er seit seiner Rückkehr nach Shanghai zunehmend nervöser geworden war. Es war das Schattenhafte, das ihm zusetzte. Gegen eine Bedrohung, die kein Gesicht zeigt, die nicht verrät, wie ernst sie ist, kann man sich schwer wehren.

    Er fühlte sich beobachtet und drehte sich abrupt um. Hinter ihm stand ein Junge mit seinem Fahrrad, der ihm eine Art Kuchen aus kandierten Früchten verkaufen wollte.
    Auf dem Weg zum Bund wechselte er mehrfach die Straßenseite; die Uferpromenade war voller Menschen, er setzte sich auf eine Bank und musterte jeden Passanten. Lächerlich, dachte er, wie sollte er erkennen, ob man ihn beschattete oder nicht, er war kein Detektiv und nicht in der Lage, einen Spaziergänger

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