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Drachenspiele - Roman

Titel: Drachenspiele - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blessing <Deutschland>
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So tastete er sich rückwärts mit kleinen Schritten zur Tür.
    Â»Da Long, ich, ich …« Die Grenzen des Sagbaren. Kaum jemals hatte er sie so gespürt. »Ich … ich bin morgen wieder da.«
    Â 
    Wang betrat die Lobby des Grand New Era Hotel mit einer schwarzen Aktentasche unter dem rechten Arm, die er mit beiden Händen festhielt. Er war fast eine halbe Stunde zu spät, sah übernächtigt aus, hatte dunkle Schatten unter den Augen, und sein Gesicht zeigte einen gehetzten, fast ängstlichen Ausdruck - keine Spur von dem Schalk, den Paul vom letzten Mal erinnerte. Als sich ihre Blicke trafen, deutete er mit einem Kopfnicken an, ihm zu folgen, machte ohne zu warten auf dem Absatz kehrt und verschwand in der Drehtür. Paul eilte hinterher und holte ihn auf der Straße nach ein paar Metern ein.
    Â»Wohin gehen wir?«, fragte er atemlos.
    Â»Zu einem Freund. Nicht weit von hier.«
    Â»Zum Anwalt Gao?«
    Â»Nein, das wäre zu gefährlich.«

    Sie liefen wortlos nebeneinander her, bogen von der Hauptstraße in eine kleine, dunkle Gasse, in der es nach öffentlicher Toilette roch, überquerten eine größere Allee, kamen in ein Viertel mit grell erleuchteten Geschäften, in deren Schaufenstern nichts als Klobürsten, Deckel und Brillen lagen. Sie betraten einen größeren Laden, dessen Wände bis unter die Decke mit Toilettenbrillen gepflastert waren - goldene, pinkfarbene, schwarze, durchsichtige, runde, eckige, manche in Form eines Herzens. Paul hatte nicht geahnt, dass es sie in so vielen verschiedenen Formen und Farben gab. Eine Verkäuferin saß vor einem Computer, sie studierte Aktienkurse, blickte kurz auf, begrüßte Wang wortlos, las weiter. Sie gingen an ihr vorbei, verschwanden hinter einem Vorhang, bahnten sich ihren Weg durch ein Lager voll mit Kisten, Kartons und Klodeckeln und stiegen eine schmale Wendeltreppe in den ersten Stock hinauf. Dort befand sich ein Büro, das so vollgestopft war mit Papieren, Aktenordnern, Katalogen und Klobürsten, dass es keinen Platz zum Sitzen gab. Wang räumte zwei Stühle frei, legte die Tasche auf den Schreibtisch, nahm den Akku aus seinem Handy. Paul tat es ihm nach, setzte sich und wartete angespannt, was als Nächstes passieren würde. Er hatte Wang nur einmal gesehen, wusste fast nichts über ihn, nun hatte er keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen. Er überlegte kurz, ob er in eine Falle gelockt worden war, und verwarf den Gedanken wieder. Um ihn weiter einzuschüchtern oder ihm zu drohen, musste ihn niemand in dieses versteckte Büro lotsen.
    Â»Haben Sie etwas von Yin-Yin gehört?«, wollte Wang wissen.
    Â»Nur, dass sie verhaftet wurde und Sanlitun sie wegen Verleumdung verklagen will. Es sei denn …«
    Â»â€¦ sie nimmt alles zurück, entschuldigt sich, und ihr Vater
verzichtet auf den Versuch, gerichtlich gegen das Unternehmen vorzugehen«, beendete Wang den Satz.
    Â»Sie kennen den neuesten Stand bereits?«, stellte Paul überrascht fest.
    Â»Nein. Aber ich kenne unser Land.«
    Wang nahm die prall gefüllte Aktentasche und öffnete sie.
    Â»Ich habe euch das letzte Mal erzählt, dass ich vor einiger Zeit an einer Geschichte über Sanlitun gearbeitet habe und dann auf Anordnung meines Chefs die Recherchen stoppen musste. Erinnern Sie sich?«
    Â»Natürlich.«
    Â»Was ich nicht erzählt habe, ist, wie weit ich mit meinen Nachforschungen gekommen war. Ich hatte einen Informanten bei Sanlitun.« Er zog einen Stapel Hefter und Zettel aus der Tasche. »Diese Unterlagen belegen, dass das Unternehmen genau weiß, was es ins Wasser leitet. Es sind mindestens drei Provinzen betroffen. Fünf Seen oder Flüsse. Vier Fabriken. Fünf Dörfer. Mehrere hundert Menschen, wahrscheinlich Tausende. Alles ist dokumentiert. Messungen der Abwässer. Laborergebnisse. Interne Mitteilungen. Schriftliche Berichte. Dienstanweisungen.«
    Paul starrte abwechselnd Wang und die Papiere in seiner Hand an. »Woher haben Sie die?«, fragte er fassungslos.
    Â»Von einem Bekannten, der bis vor kurzem bei Sanlitun gearbeitet hat und ganz, ganz dringend Geld brauchte.«
    Paul nahm einen der Hefter und blätterte wahllos darin herum, er war zu aufgeregt, um das Geschriebene gründlich zu lesen.
    Â»Ich kann damit jetzt nichts anfangen«, erklärte Wang. »Ich wollte es aufheben für den Tag, an dem ich über ein

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