Drachensturm
über Jatunaq zu sprechen, sondern weil ich einen Auftrag für dich habe.«
Kemaq nickte langsam. Das konnte nichts Gutes bedeuten.
» Wir senden Späher aus«, fuhr der Hauptmann fort, » denn wir müssen wissen, wie stark die Mauern besetzt sind, und ob sie uns vielleicht schon erwarten. Du kennst die Gegend gut, wie ich hörte. Also eile.«
Kemaq warf einen Blick hinüber zu Qupay, der ganz in der Nähe mit einem anderen Priester sprach. Sie bereiteten offenbar ein weiteres Opferritual vor. Er fragte sich, ob er auch diesen Auftrag seinem Bruder zu verdanken hatte, aber da auch der Hohepriester glaubte, dass er unter dem Segen Intis stand, war es ebenso gut möglich, dass Huaxamac selbst ihn für diesen gefährlichen Auftrag ausgesucht hatte. Kemaq stellte bald fest, dass er auch nicht der einzige Späher war. Als er die Reihen der Krieger hinter sich ließ, sah er, dass noch drei weitere Männer durch das Morgengrauen hasteten, um den Feind auszukundschaften.
Der Berg, zu dem Mila befohlen worden war, war eine mehrere hundert Fuß hohe, einzeln stehende Anhöhe, die durch eine breite Ebene von den viel höheren Gipfeln der Anden getrennt war. Von Chan Chan aus gesehen lag sie ein gutes Stück jenseits eines Flusses. Mila hatte den Berg bemerkt, als Nabu ihr zum ersten Mal das Bild aus grauen Flammen gezeigt hatte, ein Bild, das sich so unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingebrannt hatte, dass sie eine Karte hätte zeichnen können. Jetzt fragte sie sich, was sie hier wollten. Der kalte Morgen ließ sie frösteln, und die Sonne würde noch eine Weile unter dem Horizont bleiben. Sie stand mit den anderen Rittern des Ordens auf der Kuppe und wartete schweigend auf das, was sich bald dort unten abspielen würde. Mila hörte die Ritter leise miteinander sprechen. Bis auf de Lanois und Don Gómez, die die Indios beobachteten, schienen alle hier zu sein.
» Ich frage mich wirklich, ob dieser Pizarro nicht doch ein kompletter Narr ist«, sagte Sir William Lysle halblaut.
» Ich verstehe seinen Plan auch nicht. Das wird in einer Katastrophe enden«, meinte Waleran de Martel, der sonst selten einer Meinung mit dem Engländer war.
Mila hatte die Nähe von Don Mancebo gesucht. Jetzt fragte sie den Mauren: » Sind denn die beiden Heere schon zu sehen?«
» Noch liegt das Zwielicht der Dämmerung dort unten, Condesa, und dadurch sind die Kämpfer voreinander verborgen, und auch vor uns – jedenfalls beinahe. Ich will Euch aber beschreiben, was ich eher erahne, als es wirklich zu sehen. Der Fluss – die Indios nennen ihn Mochico – durchfließt das Schlachtfeld von Ost nach West. Ein kleinerer Fluss, eher ein Bach, kommt aus den Bergen im Norden. An seinem rechten Ufer, aus der Wüste, kommen die Indios in beachtlicher Zahl und sind schon ausgeschwärmt für die Schlacht. Sie marschieren langsam in Richtung des Mochico, der die beiden Heere noch voneinander trennt.« Der Maure hielt einen Augenblick inne, dann setzte er seine Beschreibung fort: » Auf der südlichen Seite des Flusses, unweit der Stadt, steht die Linie der Konquistadoren. Ihre linke Flanke lehnt an den Überresten eines verfallenen Tempels, in dessen Schatten sich auch die Reiter verstecken. Ihre rechte Flanke ist jedoch völlig offen. Ihre Linie sieht kurz und nicht sehr stark aus, wenn man sie mit den Reihen der Indios vergleicht.« Wieder wartete er eine Weile, bevor er fortfuhr: » Das Heer der Indios hat angehalten. Sie machen bis jetzt keine Anstalten, den kleinen Bach zu überqueren, was sie tun sollten, denn dann könnten sie die Spanier an der offenen Flanke packen. Im Augenblick scheinen beide Seiten aber mit der Stellung zufrieden, die sie eingenommen haben, und ich vermag keine Bewegung zu erkennen. Ich nehme aber an, dass sich das im ersten Licht des Tages ändern wird.«
» Wenn sie uns ließen, würden wir alles dort unten in einem einzigen Angriff davonfegen«, sagte wieder Sir William.
» Sie haben ihre Gründe, und die Entscheidung über den Plan zur Schlacht ist getroffen, Sir William, also bitte ich Euch, ihn nicht länger zu kritisieren«, wies ihn der Hochmeister zurecht.
Mila hörte der Stimme ihres Großonkels jedoch an, wie wenig überzeugt er selbst von Pizarros Vorhaben war. » Kann mir einer meiner Ritterbrüder vielleicht erklären, was sich die Konquistadoren von diesem Plan versprechen?«, fragte Mila, die annahm, dass man ihr, der Unerfahrensten im Orden, diese Frage nachsehen würde.
» Nun«, erklärte Sir
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